Danzblog

Innovation Expert. Speaker.

Zoff macht kreativ!

12.07.2015 // 12.19 Gerriet Danz

Für kreative Arbeitsprozesse bildet man gerne Gruppen. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie abhängig von deren Miteinander und Untereinander die Ergebnisse einer solchen Gruppe sind? Eigentlich liegt es auf der Hand, lassen Sie mich ein wenig ausholen: Gedanklich begeben wir uns in ein Unternehmen, das auf ein vollkommen harmonisches Arbeitsklima bedacht ist und Konflikte unter den Mitarbeitern mit aller Macht verhindert. Es herrscht Friede, Freude, Eierkuchen und wenn es überhaupt einmal Unstimmigkeiten geben sollte, was eine absolute Ausnahme darstellt, werden diese schnell und nachhaltig beseitigt. Was Ihnen gerade kuschelig vorkommen mag, erstickt leider die Kreativität im Schlaf, denn Teams und Arbeitsgruppen, die so gar kein Konfliktpotential bergen, schneiden bei kreativen Herausforderungen und innovativen Entwicklungen grundsätzlich vergleichsweise nicht gut ab. Ihr Hauptaugenmerk liegt nämlich ständig darauf, einander nicht aus der Komfortzone zu drängen, die Grenzen des anderen nicht zu überschreiten, um das gute Klima untereinander beständig zu halten. Die einzelnen Teammitglieder neigen dazu, nichts zu riskieren, was dieses stören könnte. Es ist klar, dass so keine bahnbrechenden Ideen generiert werden können.

Außerdem fokussieren sich die Individuen einer solchen Gruppe, zu stark auf die Gemeinsamkeiten, die sie mit anderen Gruppenmitgliedern haben. Sie nehmen sich selbst nicht mehr unbedingt als individuell war. Untersuchungen belegen, dass aber gerade das Bewusstsein von der eigenen Individualität, in Form von Einzigartigkeit und Autonomie, das kreative Vermögen beflügelt. Stattdessen herrscht in Harmonie-Teams der Gruppengedanke vor, man übernimmt tendenziell die Denkmuster der anderen und stimmt sich oft und häufig sogar uneingeschränkt zu. Diese Dynamik macht dann auch Brainstormings ineffizient; Ideen, die die Gruppe als „vielleicht etwas zu abgedreht“ befindet, werden dann nicht weiterverfolgt, weil unbewusst die Normen und Wertvorstellungen der Gruppe vertreten werden.

Eventuell könnte in solchen Fällen das, in einem der vorangegangenen Artikel beschriebe „Shifting“ nach Robert Epstein zu mehr kreativem Output führt, bei dem zwischen Gruppen- und Einzelarbeit abgewechselt wird (mehr hierüber im Post „Kreativität – eine Frage der Persönlichkeit?“).

Was kann man sonst noch tun? Zunächst einmal einsehen, dass die Größe von Gruppen sehr wohl eine Rolle spielt und die Leute zu ihrer Einzigartigkeit zurückführen. Forscher der Universität von Oklahoma haben die perfekte Größe für Gruppen ermittelt, die kreative Leistung bringen sollen. Sie landeten bei sechs bis neun Personen. Zweier bis Vierer Gruppen starteten meist gut, wurden dann aber regelmäßig und deutlich unkreativer, während größere Gruppen, mit zehn Menschen oder mehr, ebenfalls weniger Ergebnisse präsentierten als die anzahlmäßig idealen Gruppen. Außerdem ließen die Gruß-Gruppen beobachten, dass nicht alle Teilnehmer zum Zuge kamen und nicht jeder mitarbeitete, beziehungsweise sich äußerte. Wenn Sie also Gruppen für Kreativprozesse einteilen, achten Sie doch einfach darauf, sie entsprechend klein zu halten. Aber eben nicht zu klein! Und wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, eine „zu große“ Gruppe zu verkleinern – vielleicht mit dem Hinweis darauf, im Sinne des bestmöglichen Kreativergebnisses zu handeln – dann sorgen Sie stattdessen einfach dafür, dass ein Gruppenleiter bestimmt wird. Das nimmt den anderen Gruppenmitgliedern die unterbewusste Neigung zum Herden-Denken. Der Gruppenleiter kann außerdem darauf achten, dass nicht nur die dominanten, extrovertierten Kollegen zu Wort kommen und für Zeiten sorgen, in denen sich eventuell jeder – gemäß der Shiftig-These – auch allein mit der Aufgabenstellung befasst.

Der zweite Punkt, den ich ansprach, nämlich die Leute auf ihre Einzigartigkeit hinzuweisen, lässt sich – laut Erkenntnissen von Angela Lee und ihren Kollegen von den Universitys of Stanford und Northwestern – folgendermaßen umsetzen: Man bittet die betreffenden Personen, drei Sätze über sich selbst zu Papier zu bringen, die außerdem ausdrücken sollen, worin sie sich ihrer Meinung nach von den meisten anderen unterscheiden und warum es von Vorteil für sie ist, sich in dem genannten Punkt von der Masse abzuheben. Das Gefühl der Individualität soll (wie bereits erwähnt) die Möglichkeit steigern, kreativ zu arbeiten und zu denken erheblich. Am besten, Sie probieren es einfach einmal aus!

Es gibt natürlich noch zahlreiche andere Faktoren, die sich auf das kreative Arbeitsklima von Unternehmen auswirken. Und hierfür gibt es sogar auch Messapparaturen und aussagekräftige Fragebögen: Das Bochumer Institut für Arbeitswissenschaft (IAW) betrieb zwei Jahre lang ein Forschungsprojekt, das zum Abschluss 2012 ein „KreativBarometer“ präsentierte. Mit diesem Instrument lässt sich kontinuierlich das Unternehmensklima messen, auswerten und frühzeitig auf eventuell aufziehende „Schlechtwetterfronten und Krisen“ hinweisen. Mitarbeitern und Führungskräften werden bis in die Chefetage hinein beim Hochfahren ihres Rechners ein paar Fragen gestellt, zum Beispiel wie häufig sie in der letzten Woche inspirierende Gespräche geführt haben. Über 50.000 Antworten von knapp 500 Mitarbeitern sieben verschiedener Unternehmen ließen erkennen, wie direkt ein kreativförderliches Arbeitsklima nicht nur Ergebnisse, sondern auch das Gesundheitsempfinden des Einzelnen beeinflusst.
Auch Dank der Universität Frankfurt können Unternehmen, Verwaltungen und sogar Schulen sich nun einem KIK unterziehen: Denn KIK, der Fragebogen zur Schwachstellenanalyse des “Kreativitäts- und Innovationsfreundlichen Klimas” zeigt, wo noch Optimierungsbedarf besteht. Und er gibt Anregungen, wie Veränderungen effektiv umgesetzt werden können. Es gibt ihn in verschiedenen Varianten, abgestimmt auf den wirtschaftlichen oder auch behördlichen Hintergrund der Organisation und die Position der Testteilnehmer. Die Rückmeldungen und empirischen Erhebungen sind sehr gut und sprechen absolut für die Sinnhaftigkeit und den Erfolg von KIK. Die vier großen Klimaaspekte der Analyse heißen übrigens: Anregung & Aktivierung; zielgerichtete Motivierung; Offene und vertrauensvolle Kommunikation; sowie Freiräume und Förderung von Unabhängigkeit. Größen, die uns immer wieder begegnen, wenn es um Kreativität geht – an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichen Zusammenhängen und Ausprägungen, es lohnt sich also in jeder Hinsicht, sich mit ihnen zu beschäftigen. Nicht nur in Bochum, sondern auch in Berlin, in Tel Aviv und im Silicon Valley. Viel Spaß – und bleiben Sie kreativ!

Früh übt sich, wer mal Innovator werden will.

12.07.2015 // 12.00 Gerriet Danz

Jeder von uns war als Kind kreativ. Kaum ein Tag verging, ohne dass wir malten, bastelten, uns verkleideten, Geschichten erfanden oder auf andere Art phantasierten. Doch spätestens mit der Einschulung wurden wir meistens kreativ eher gefaltet, anstatt dass man uns Möglichkeiten zur kreativen Entfaltung bot.
Sozialisierung und Pädagogik wirken sich leider noch immer in der Mehrzahl aller Fälle als Knebel und Fallstrick für die kreativen Machenschaften der Kindheit aus. Deshalb nimmt der kreative Schaffensdrang der Kleinen mit dem Schuleintritt auch rapide ab. Und schon am Ende der ersten Klassenstufe haben die Kinder gelernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und das eigentlich so wichtige, kreativmachende Tagträumen einzustellen. Laut Psychologe, Autor, Journalist und Forscher Robert Epstein, dem schon mal erwähnten ehemaligen Chefredakteur von „Psychology Today“ und Gründer des Cambridge Center for Behavioral Studies, wird die Kreativität ab diesem Punkt tragischer Weise den “unsozialisierbar Freaks” überlassen. Und auch in den meisten Elternhäusern wird noch immer Wert darauf gelegt, dass aus dem Nachwuchs „etwas Anständiges“ wird. Das bedeutet in der Regel, dass sich die Eltern für ihr Kind eine Karriere wünschen, die mit wirtschaftlichem Erfolg einhergeht. Künstlern, den „Hauptverdächtigen des Kreativismus“ traut man allgemein noch nicht einmal eine stabile Finanzierung ihres Lebensunterhalts zu. Bei einer Umfrage in den Vereinigten Staaten, was den Leuten spontan für Assoziationen zu der Berufsgruppe „Künstler“ einfiele, ernteten die Fragenden Schlagworte, wie „verrückt“, „betrunken“, „drogensüchtig“ und vor allem „arm“. Wurden dann berühmte Kreative wie beispielsweise Pop-Diva Madonna oder Harry-Potter-Autorin J.K.Rowling erwähnt, wurden diese Personen als „beschenkt“ betrachtet – also vom Schicksal oder einer anderen höheren Instanz mit dem großen Geschenk exzeptioneller Kreativität bedacht. Es herrschen in Punkto Kreativität also noch immer jede Menge Vorurteile. Und durch Exzesse frühzeitig verstorbene Ideen-Ikonen machen das ja auch nicht besser – die lange Reihe an Vertretern dieser Gruppe beginnt mit Legenden wie Jimi Hendrix oder Amy Winehouse und reicht über Michael Jackson bis zu Heinrich von Kleist. Solche Beispiele bleiben natürlich im Kopf.

Inzwischen sollte jedem klar geworden sein, wie wichtig es ist, kreativ zu sein – beruflich in jeder Branche und privat in vielen Alltagssituationen.
Ein großer Wunsch Epsteins ist es deswegen, dass Kreativitätstraining in den Lehrplan von Schulen integriert wird. Davon scheint man jedoch noch meilenweit entfernt. „Keine Zeit“, lautet das angeführte Argument. Stattdessen wird die Jagd nach guten Noten durch das Bestehen standardisierter Tests weiter vorangetrieben. Schade. Meine Tochter geht jetzt für ein Jahr nach Kanada
(dort gibt es eines der besten Schulsysteme der Welt!) und ich habe den Lehrplan der High School gelesen. Der klingt nach Zukunft, während unsere Lehrpläne nach früher Industrialisierung duften! An dieser Stelle ist von der Schule hierzulande also nicht viel zu erwarten. Dabei würde es wahrscheinlich gar nicht so viel Aufwand bedeuten, denn Kreativität braucht in erster Instanz nur etwas mehr Überraschungen und etwas weniger ErklärBärTum. Aimee Stahl und Lisa Feigenson, zwei Psychologinnen der John Hopkins University von Baltimore berichteten unlängst im Fachmagazin „Science“, dass Überraschungen schon bei elf Monate alten Babys den Forscherinstinkt reizen. Bereits vor Ende des ersten Lebensjahres scheinen Menschenwesen nämlich eine Art Vorstellung davon entwickelt zu haben, wie die Welt um sie herum in Grundzügen funktioniert. Die Forscherinnen zeigten den Kleinen im Versuchsaufbau Dinge, die ihren Erwartungen widersprachen: Zum Beispiel ein Spielzeugauto, dass auf eine Tischkannte zurollt und dann nicht hinabstürzt, sondern scheinbar in der Luft weiterfährt. Die Kinder, die so etwas Unglaubliches gesehen hatten, bespielten, untersuchten und prüften das Spielzeug im Anschluss viel intensiver als die Kinder, die dem üblichen Wirken der Schwerkraft zugesehen hatten.

Im Institut of Technology (MIT) in Cambridge wurde ein entsprechendes Verhalten an vier- bis sechsjährigen Kindern beobachtet, denen ein Spielzeug mit versteckten Überraschungseffekten (wie einem lustigen Geräusch) wahlweise von einer Lehrerin erklärt oder aber vorgeführt wurde. Der Unterschied bestand darin, dass der ersten „Erklär“-Gruppe gesagt wurde: „So funktioniert das Spielzeug, ich weiß es und ich zeig es Euch“, der Geräuscheffekt wurde bewusst ausgelöst, alle anderen „Specialeffects“ des Spielzeugs blieben unerwähnt. Die Lehrerin, die der zweiten „Vorführ“-Gruppe das Spielzeug präsentierte, tat hingegen so, als würde sie es ebenfalls gerade erst entdecken. Vom zufällig ausgelösten Geräusch zeigte sich sich ebenso überrascht wie die Kinder selber. Nachdem man beiden Kindergruppen das Spielzeug danach ausgehändigt hatte, fiel auf, dass die Kinder der zweiten Gruppe nicht nur viel länger damit spielten, sondern auch deutlich mehr die versteckten anderen Effekte suchten und entdeckten. Ganz anders die Kinder der ersten Gruppe: Sie hatten den Eindruck gewonnen, der Lehrer kenne die Funktion des Spielzeugs ganz genau. Wozu dann noch weiter entdecken? Ihr kindlicher Forscherdrang war blockiert! Es bleibt anzunehmen, dass sich eine solche Denkweise beim Älterwerden eher festigt. Aber dieses Beispiel – und das Leben – zeigen, dass es sich lohnt, wachzubleiben, Dinge zu untersuchen, zu hinterfragen – egal, wer einem zuvor schon zwanzigmal die Welt von vorn erklärt hat!

Für alle Eltern bedeutet es, dass sie selbst dem Nachwuchs zuhause durchaus kreatives Denken und Handeln vorleben können (wenn’s in der Schule schon so selten passiert). In Gesprächen und Diskussionen kann man Vorschläge von den Kindern einholen – und zwar nicht nur „ … nenn mir drei gute Gründe, warum ich das erlauben sollte …“ sondern mal „ … nenn mir MINDESTENS drei gute Gründe …“ Sie merken schon, dieser Weg ist nicht der bequemste 😉

Es bereitet Kindern auch riesigen Spaß, wenn Sie mit Ihnen über unlösbare Fragen „spinnen“: Wie könnten Schweine eigentlich fliegen? Oder, was würdest Du tun, wenn morgen die Kinder die Oberbestimmer wären und wir Erwachsenen einmal alles tun müssten, was Ihr sagt? Wer bei den vorangegangenen Posts aufgepasst hat, erinnert sich an diese Technik – richtig, es ist die „Fat Chance“ aus den kreativen Warm-Up-Übungen.

Noch eine Idee: Platzieren Sie irgendwo im Haus einen Karton, in dem Ihre Kinder kreative Schnipsel sammeln, Zeichnungen, Notizen, Artikel, was auch immer. Das gibt Kindern das Gefühl, dass Ihre Ideen wertgeschätzt werden.
Übrigens passiert das auch, wenn man ihnen im sicheren Maße und immer mehr eingesteht, eigene Entscheidungen zu fällen, anstatt ihnen alle Entscheidungen abzunehmen. Und wenn Sie von Ihren Kindern etwas gefragt werden, geben Sie die Frage doch mal zurück „Warum finden wir das nicht gemeinsam heraus?“ und dann helfen Sie ihnen dabei, selbst auf die Antwort zu kommen; sie werden erstaunliche Wege dahin finden!

Und auch für Kinder ist es wichtig, zu realisieren, dass Scheitern zum Kreativsein gehört. Ebenso, wie das Sich-Wieder-Aufrappeln und Weitermachen, das erneute Scheitern und das Wiederaufstehen. Auch das will verkraftet, gelernt und durchgehalten werden – und es ist umso einfacher, wenn man Fehler machen DARF (wenn schon nicht in der Schule, dann jedenfalls zu Hause – Sie wissen ja, warum).

Für alle diejenigen, deren Ausgangsbasis nicht so Fehler begrüßend organisiert war, lassen übrigens inzwischen viele Kreativ-Trainer Übungen zum Stress-Management in ihre Seminare einfließen. So lernen die Teilnehmer, sich darauf vorzubereiten, mit Fehlschlägen, aber auch mit dem Unverständnis und der Zurückweisung der Umwelt umzugehen (auch GUTE neue Ideen werden bekanntlich nicht immer mit Jubelschreien begrüßt). Und bei jedem Scheitern kann man sich immerhin sagen, dass man sich mit den brillantesten Köpfen dieses Planeten in guter Gesellschaft befindet.

Kreativität – ein Frage der Persönlichkeit?

12.07.2015 // 11.43 Gerriet Danz

Jeder Mensch ist anders, aber jeder kann kreativ sein – was den einen inspiriert, macht den anderen wahnsinnig; dem einen kommen die besten Ideen, wenn er für sich alleine ist (oft genannt werden: „Unter der Dusche“ oder „im Schlaf“), während der Kollege aus dem Büro gegenüber sich stattdessen seine kreativen Ideen auf einer Serviette unterm Tisch notiert, im Laufe eines lauten, ausgelassenen Abendessens, inmitten zahlreicher Menschen.
Spielt die Persönlichkeit für kreative Prozesse eigentlich eine Rolle? Sind zum Beispiel mutige, extrovertierte Menschen tendenziell kreativer, weil sie sich eher trauen, neue Wege zu gehen, Ideen zu generieren und sie zu vertreten? Die Meinungen der Wissenschaftler gehen auseinander. Fakt ist jedoch, dass jeder, ungeachtet seiner Persönlichkeit, bestimmte Kreativtechniken lernen und damit sein kreatives Potential verbessern kann.

Die Amerikanerin Julia Cameron schreibt Bücher, ist Drehbuchautorin, Filmemacherin, Komponistin – und sie unterrichtet Kreativität. Ihrer Meinung nach gibt es keine unkreativen Menschen. Viel mehr sei die Kreativität des Einzelnen in vielen Fällen blockiert – und zwar von dem, was uns im Hinterkopf beschäftigt hält: „Ich muss dringend den Klempner anrufen, ein Check-Up beim Hausarzt könnte auch nicht schaden und die Geburtstagskarte für Tante Elke müsste auch schon längst geschrieben worden sein“, und so weiter und so fort. Bevor Cameron selbst am Morgen kreativ beginnt zu arbeiten, schreibt sie ihre „Morning pages“; drei Din-A-4-Seiten, auf denen es um nichts weiter geht, als alle umherschwirrenden Gedanken aufs Papier und damit aus dem Kopf zu kriegen. Mit dieser Methode schaltet man den Alltagssoundtrack, der permanent im Hirn dudelt, aus. Und man schafft ein konzentriertes Bewusstsein für den Moment. Schon während des Schreibens kommen dann oft neue Ideen auf – die man am besten auch gleich festhält, um sie nicht wieder zu vergessen.

Der Psychologe, Autor, Journalist und Forscher Robert Epstein, ehemaliger Chefredakteur bei „Psychology Today“ und Gründer des Cambridge Center for Behavioral Studies legt seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkt seit mehreren Jahrzehnten auf Kreativität. Den Anfang nahm alles in den 1970ern an der Universität von Harvard, wo Epstein mit Tauben arbeitete. Er brachte den Vögeln Verhaltensweisen bei, um sie im Folgenden in eine neue Situation zu bringen und dabei zu beobachten, wie sie sich verhielten. Schnell wurde ein Zusammenhang zwischen dem Gelernten und dem Verhalten in der fremden Umgebung deutlich, so dass der Forscher schließlich Gesetzmäßigkeiten ableiten und das Verhalten der Tiere voraussagen konnte. Es folgten Studien mit Kindern und Erwachsenen – und das Ergebnis war das gleiche: Kreative Prozesse folgen vorhersehbaren (oftmals gelernten) Muster. Epstein entwickelte Tests, mit denen Menschen herausfinden können, wie sie sich selbst am besten in die Lage versetzen, ihre Kreativität zum Ausdruck zu bringen, und er erfand zahlreiche Spiele und Übungen, die bei jedem Einzelnen kreative Ideen zum Sprudeln bringen.
Ist es nun etwas Gutes, anzunehmen, dass Kreativität ein geordneter Prozess ist? Auf jeden Fall! Denn es bedeutet, dass im Grunde jeder aus dem Vollen schöpfen kann – er muss nur wissen, wie. Schlechte Neuigkeiten dürfte es lediglich für diejenigen bedeuten, die bisher dachten, sie bräuchten nur entspannt auf der Muse Kuss zu warten, der Rest würde sich dann schon fügen. Kreativität ist Arbeit – und, wie schon Kästner wusste: „Es gibt nichts Gutes außer, man tut es!“

Epstein zu Folge gibt es vier essentielle Fertigkeiten, die zum Kreativsein trainiert werden können:

1. CAPTURING, also das Abspeichern und Festhalten von Ideen; wann immer sie einem kommen und vor allem: ohne sie zu bewerten. Achtung: Wer zu früh anfängt, seine Einfälle auf Brauchbarkeit zu prüfen, sich die Reaktionen anderer auf das Erdachte vorzustellen, wird unter Umständen gute Ansätze verwerfen! Sammeln, sammeln, sammeln und was heute noch nicht taugt, treibt in einigen Monaten vielleicht die tollsten Blühten. Der Homo Technicus 2.0 hinterlässt sich einfach Sprachnotizen auf dem Smartphone oder führt, old school aber dafür wie schon Albert Einstein, stets ein Notizbuch mit sich.

2. CHALLINGING, sich selbst vor eine Herausforderung zu stellen, sich an einem Problem festbeißen. Es ist erwiesen, dass in komplizierten Lebenssituationen verschiedene komplexe Denk- und Verhaltensweisen miteinander konkurrieren und dadurch neue Lösungsstrategien und Ideen entstehen.

3. BROADENING, im weitesten Sinne die Erweiterung des Wissensspektrums: Je größer die Allgemeinbildung, je breiter man aufgestellt ist, desto mehr Zusammenhänge kann man erkennen und desto kreativer kann man denken.

4. SURROUNDING, je mehr man sich mit inspirierenden und interessanten Dingen und Menschen umgibt, desto interessanter und weitgefächerter werden die eigenen Ideen.

Ich möchte noch einmal den Gedanken aufgreifen, dass Menschen unterschiedlich sind und deswegen auch in kreativen Prozessen unterschiedlich „funktionieren“. Sehr deutlich wird dieser Umstand beim guten, alten Brainstorming. Das ist ja auch schon über 80 Jahre auf der Welt, und wer hat’s erfunden? Nicht die Schweizer, sondern mein Quasi-Ex-Chef Alex Osborn, das „O“ von BBDO. Das ist die Agentur, in der ich ein gesamtes Jahrzehnt lang das Wesen der Kreativität studiert habe. Wenn Sie das nächste Mal in einem Meeting sitzen, in dem gebrainstormt wird, achten Sie doch einfach mal darauf, ob wirklich jeder zu Wort kommt, ob jeder sich traut. Wahrscheinlich ist es nicht so. Da gibt es einerseits die Solo-Generatoren, vom Anfang der Geschichte, die lieber still und allein Ideen produzieren – und anderseits die, die im ständigen Austausch aufblühen. Zum Glück gibt es hier kein „besser“ oder „schlechter“, das Geheimnis liegt, wie Epstein in einem Experiment herausfand, in der Kombination von Gruppen- und Einzelkreation.

Inzwischen ist das „Shifting Game“ fester Bestandteil von Epsteins Seminaren: Er bildet zwei gleichgroße Gruppen, die 15 Minuten Zeit für eine kreative Aufgabe bekommen, beispielsweise sollen sie sich einen Namen für eine neue Schokoladensorte überlegen. Die eine Gruppe bleibt die gesamte Zeit zusammen, während die andere die ersten fünf Minuten gemeinsam überlegt, dann fünf Minuten auseinander geht, in denen jeder für sich an der Aufgabe arbeitet und schließlich kommt die Gruppe noch einmal fünf Minuten zusammen, tauscht sich aus und erweitert ihre Ergebnisse. Im Regelfall präsentiert die „Shifting-Gruppe“ im Anschluss mehr als doppelt so viele Ideen, als die Gruppe, die die ganze Zeit zusammenblieb. Epstein glaubt, dass durch das Shifting wirklich JEDER einen Part zu der Lösung einer Aufgabe beiträgt, während in festen Brainstorming-Konstellationen die kreativen Beiträge von weniger dominanten Personen oftmals untergehen. Auch, wer nicht in einem Büro arbeitet, kann dafür sorgen, dass seine Ideen auf Gruppenresonanz stoßen – nehmen Sie ihre Ideensammlung doch einfach mit in Ihr Lieblingscafé und tauschen Sie sich mit den Menschen aus, die Sie dort treffen oder bringen Sie Ihrer Familie zum Abendessen mal etwas Gedankenfutter mit – gut möglich, dass dann ein paar leckere Ideen entstehen!

Aus Märchen mach Startup!

12.07.2015 // 11.28 Gerriet Danz

Es war einmal … ein junger Mann, der sich und seiner Freundin einen großen Traum erfüllte: Sie wollten zusammen um die Welt reisen.

Vielleicht haben Sie Ende des letzten Jahres die Geschichte um den 28-jährigen Kanadier Jordan Axani mitbekommen, der für sich und seine Freundin Elizabeth eine Weltreise gebucht hatte. Die große Vorfreude der beiden endete leider jäh; wahrscheinlich spätestens bei der Trennung des Paares und damit nur einige Wochen, bevor die dreiwöchige Reise über New York, Mailand, Prag, Paris, Bangkok und Neu-Dehli losgehen sollte. Was dann aber geschah, ist der Grund dafür, dass diese Geschichte ihren Einzug in meine Kreativitätstheorien fand: Es war, als ob sich von verschiedenen Seiten ganz unterschiedlich kreative Fäden entspannten, aufgenommen und weitergeflochten wurden, bis sie sich letztlich zu einem innovativen Netz zusammenfügten, an dessen Ende nun eine großartige Stiftung steht. Am besten, ich erzähle Ihnen die ganze Sache einmal von vorne, dann werden Sie bemerken, wie viel – zufällige oder schicksalshafte – Kreativität im Spiel war, und was für bemerkenswerte Dinge daraus entstehen können, wenn man sich einfach mal traut, ausprobiert, sich inspirieren lässt und buchstäblich einmal ungewöhnliche Wege geht, wie fast jeder Beteiligte an dieser märchenhaften Geschichte.

Jordan Axani stand also nach dem Ende seiner Beziehung da, mit den bezahlten Tickets im Wert von mehreren tausend kanadischen Dollar. Reiserücktrittsversicherung? Fehlanzeige! Die Reise war ursprünglich ein Schnäppchen: Reduzierter Preis, Umtausch ausgeschlossen und die Tickets – nicht übertragbar. Guter Rat war gerade also genauso teuer, wie die Reise an sich. Und der Gedanke, die Flüge seiner Exfreundin einfach verfallen zu lassen, schien dem jungen Mann aus Toronto nicht gerade die beste Lösung für sein Problem zu sein.

Ob es nun besonders kreativ, eine Verzweiflungstat oder eine Schnapsidee war – die Grenzen dazwischen sind übrigens fließend, beziehungsweise nicht existent. Plus: Genialität und Wahnsinn liegen bekanntermaßen ja oft dicht beieinander – jedenfalls verfasste Jordan einen Post auf Reddit, einer Online-Community, die nach eigener Beschreibung die Titelseite des Internets ist und ähnlich funktioniert wie facebook mit der Überschrift: „Are you named Elizabeth Gallagher (and Canadian)? Want a free plane ticket around the world?“ Wer also den Namen seiner Exfreundin trüge und Kanadierin sei, bekäme die Weltreise geschenkt. Im Weiteren folgte eine ausführliche Beschreibung, was und wen Jordan suchte und wonach er ganz bestimmt NICHT Ausschau hielt. Er erwarte keine Gegenleistung, hoffe auf eine zurechnungsfähige, kluge und (hoffentlich) interessante Mitreisende, wäre eher der Typ, der die Spontanität des Lebens mit offenen Armen begrüßen würde und freue sich über jede Kontaktaufnahme potentiell reisewilliger Elizabeth Gallaghers, sofern es sich dabei nicht um eine Axtmörderin handle. Er selbst hatte, nach eigener Aussage, gar nicht damit gerechnet, dass überhaupt jemand auf seinen Aufruf reagieren würde. Wer hätte auch absehen können, dass Jordan internationale Aufmerksamkeit erregen würde und tausende von Mails bekommen sollte? So viele Leute hatte seine Anzeige dazu inspiriert, ihm zu schreiben, wie gerne und warum sie einmal reisen würden und weshalb sie es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht konnten – weil sie krank waren oder andere Schicksalsschläge erlebt hatten, oder einfach kaum genügend Geld da war, um den Alltag zu stemmen, geschweige denn, um es in Reisen investieren zu können.

Ich werde gleich noch einmal darauf zurückkommen, auf was für eine Idee diese Mails Jordan Axani brachten. Vorher zurück zur Suche nach Elizabeth Gallagher Nummer 2: Unter den Zuschriften waren tatsächlich auch 18 kanadische Damen, die diesen Namen trugen! Jordans Wahl fiel auf eine 23-jährige angehende Sozialarbeiterin, deren Schwester via Twitter Jordan ein Bild von Elizabeth „Quinn“ Gallagher mit der unmissverständlichen, pinkfarbenen Aufforderung „Take me!!!“ geschickt hatte. Den Ausschlag hatte nicht zuletzt auch das soziale Engagement der „neuen“ Elizabeth gegeben, die ausgebildete Rettungsschwimmerin ist und sich in Notschlafstellen für Obdachlose engagiert. Jordan hatte sich in seinem Aufruf gewünscht, dass diejenige, die die Reise geschenkt bekommen würde, beizeiten ihrerseits einfach etwas Gutes an die Menschheit zurückgeben würde. Was das betrifft, war Elizabeth „Quinn“ Gallagher quasi in Vorleistung gegangen. Auch die anfänglichen Bedenken der Auserwählten zerstreuten sich, nach einem Telefonat mit Jordan, rasch. Er schien ihr nicht halb so verrückt zu sein, wie seine Idee, mit einer vollkommen Fremden um die Welt zu reisen. Allerdings machte sie von Anfang an klar, dass die Reise der beiden keinesfalls ein hollywoodreifes Finale haben würde, da sie sich bereits in festen Händen befände. Dennoch nahm Hollywood übrigens nach Rückkehr der beiden Verhandlungen mit Jordan auf, über die Filmrechte an der Geschichte. Man darf gespannt sein.
Da Jordan sich nach der Trennung von Elizabeth I. nicht weiter mit der Reiseplanung beschäftigt hatte, waren noch keine Hotelzimmer gebucht worden – und das war inzwischen auch gar nicht mehr nötig. Die unfreiwillig zur weltweiten Kampagne avancierte Suchaktion hatte für genügend Aufmerksamkeit gesorgt und so offerierte das Marriott International den beiden Weltreisenden die kostenlose Bereitstellung zweier Einzelzimmer auf jeder Reiseetappe.
Nach ihrer Reise berichteten Elizabeth II. und Jordan von einer großartigen Zeit, die sie gemeinsam, als eine Art großer-Bruder-kleine-Schwester-Gespann erlebt hatten.

Mit dem, was als Weltreise begann, schlug der Immobilien-Manager Jordan Axani persönlich noch eine ganz andere Route ein. Nach eigenen Worten erkannte er, dass er aus seiner viral gewordenen Geschichte etwas von dauerhaftem sozialem Wert kreieren konnte: Basierend auf seiner Überzeugung, dass Reisen Menschen für immer verändern, gründete er gemeinsam mit seinem Bruder die Stiftung “A Ticket Forward”, die über Crowdfounding Geldspenden sammelt, um Menschen Reisen zu ermöglichen, die sie sich anders niemals erlauben könnten; Menschen, die in Krisengebieten leben, mit schweren Krankheiten kämpfen oder auf irgendeine Art Missbrauch erlebt haben. Jordan hatten die zahlreichen Mails, die er nach seinem Aufruf bekommen hatte, tief bewegt; so schrieb ihm beispielsweise ein achtjähriger Junge, der so gerne die Welt mit seinen Augen sehen wollte, bevor er, wie ihm von ärztlicher Seite prognostiziert worden war, erblinden würde. Auf www.aticketforward.org finden sich sehr persönliche Geschichten von Menschen, die “A Ticket Forward” zur Realisierung einer Traumreise ausgesucht hat, so kann sich jeder Spender ansehen, wen er, wohin auf die Reise schickt.
Inzwischen beschäftigt “A Ticket Forward” mehr als 34 Mitarbeiter auf vier Kontinenten; die Organisation wächst und wächst. Kaum zu glauben, dass das alles mit ein paar Schnäppchen-Tickets und dem Ende einer Beziehung begann.

Störfall macht Einfall.

12.07.2015 // 05.32 Gerriet Danz

Kennen Sie das: Sie sitzen an irgendeinem Konzept, zerbrechen sich gerade den Kopf über irgendetwas, Sie suchen fieberhaft nach einer Idee oder zermartern sich das Gehirn über … was auch immer – und plötzlich schneit einer ihrer Kollegen herein und fängt an, Ihnen die Bundesligaergebnisse der letzten Begegnungen zu erörtern oder den neuesten Klatsch und Tratsch vom Flurfunk breitzutreten. Spontan haben Sie drei Möglichkeiten, zu reagieren:

1. Sie waren ein Fuchs und haben bereits im Vorfeld Ihre Bürotür verbarrikadiert oder anders dafür gesorgt, dass nichts und niemand Sie unterbrechen kann.
2. Sie komplimentieren den Kollegenstörer umgehend hinaus und wenden sich wieder Ihrer Arbeit zu.
3. Sie interpretieren die Unterbrechung Ihrer Arbeit als kleine Pause und nehmen sich kurz Zeit für den thematischen Ausflug in eine andere Welt.

Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um eine Störung, die in dieser Form alle paar Minuten auftritt, haben die Kandidaten der Gruppe 3 einen Vorteil: Sie unternehmen einen Kurztrip, weg von ihrer eigentlichen Aufgabenstellung, hin zu etwas inhaltlich ganz anderem. Und das ist der Kreativität zuträglich.

Die sogenannte Routinearbeit wird in den meisten Fällen erledigt, ohne, dass man großartig nachdenkt und es währen dessen zu nennenswerten sozialen Interaktionen käme. Bei einer unerwarteten Störung des gewohnten Geschehens, wandert die Aufmerksamkeit weg von der Arbeit, hin zur Quelle des neuen Ereignisses. Was geschieht? Man rückt gedanklich oder auch physikalisch, also körperlich, einen Moment lang von der eigenen Beschäftigung ab und sieht sie
aus einem ganz anderen Blickwinkel, sobald man sich ihr wieder zuwendet. Dadurch steigert sich nachweislich die kreative Kompetenz für Denk- und Lösungsansätze aller Art. Zu dieser Erkenntnis passt auch die Behauptung Allan Snyders von der Universität von Sydney: Wenn wir anfangen zu denken, wir seien Experten auf einem Gebiet, entsteht die Gefahr, das wir aufhören, kreativ zu sein! Diese These belegte Snyder mit entsprechenden Versuchen. Und tatsächlich: Das Gehirn wird ein wenig faul, gewöhnt sich an bestimmte Denk- und Handlungsmuster und daran, nicht mehr über den Rand der Schädeldecke denken zu müssen. Ein Aufrüttelmoment wäre demnach mehr als effektiv und wünschenswert.

Eine Studie an der Universität von Utah, unter Leitung von Gerardo Okhuysen, belegte den Sinn von gezielten Unterbrechungen im kreativen Prozess: Die Probanden wurden in eine Vielzahl kleinerer Arbeitsgruppen eingeteilt und aufgefordert, sich innerhalb dieser Grüppchen eine Lösungsstrategie für ein fiktives Problem zu überlegen. Die Hälfte der Gruppen wurde, während des Versuchs von einem Wissenschaftler unterbrochen, der sie bat, spontan eine andere Aufgabe zu erledigen, die nicht im Entferntesten etwas mit der ursprünglichen Problemstellung zu tun hatte. Im Endeffekt präsentierten die „gestörten“ Arbeitsgruppen im Anschluss viel mehr Lösungsansätze als die „ununterbrochenen“ Mit-Probanden-Grüppchen – ersteren hatte die Auszeit einen Abstand zu ihrer Aufgabe beschert, der wohl in eine neue oder andere Betrachtungsweise der Aufgabe resultierte. Den Forschern fiel außerdem auf, dass Gruppen, die sehr vertraut miteinander waren, selbst intern für kleine Pausen und Ablenkungen sorgten und die versuchsbedingte Unterbrechung quasi überflüssig machten. An dieser Stelle sei noch einmal gesagt, dass hier immer von geplanten, nicht ZU häufig auftretenden Ablenkungen die Rede ist. Natürlich haben permanente Störungen einen gegenteiligen Effekt.

Apropos „Störungen“: Schon ein altes Sprichwort besagt, Genie und Wahnsinn lägen dicht beieinander. Und inzwischen bestätigt auch die Wissenschaft, dass mitunter Zusammenhänge zwischen psychischen Störungen und Kreativität zu finden sind. Der Brite Felix Post und der Amerikaner Arnold Ludwig fanden unabhängig von einander heraus, dass die berühmten Wissenschaftler, Musiker, Maler und Literaten der Vergangenheit überdurchschnittlich oft als psychisch krank galten, wie die Beispiele von Robert Schumann, Vincent van Gogh, Hermann Hesse, Heinrich von Kleist, Virginia Woolf, Sylvia Plath und Ernest Hemingway belegen – um nur einige zu nennen. Man könnte behaupten, es wäre eine Zeit lang ein regelrechter Sport gewesen, den Größen der vergangenen Epochen die entsprechende psychische Krankheit zuzuordnen. Wobei die Erhebungen lediglich auf Aussagen und Beschreibungen von Zeitzeugen gründen und demnach nicht unbedingt als hieb- und stichfest gelten können.

Studienergebnisse der Gegenwart, nämlich aus dem Jahre 2011, belegen inzwischen, dass Menschen mit einer sogenannten bi-polaren Störung – und zwar diejenigen mit einer diagnostizierten Schizophrenie – signifikant häufiger einen Beruf im Bereich der bildenden Künste ausüben. Und auch dem britischen Psychiater und Buchautor Neel Burton zu Folge, sollen bi-polare Störungen, zehn bis vierzig Mal häufiger unter Künstlern als in der sonstigen Bevölkerung auftreten.

Es scheint, als steckten die Anlage für die Kombination von psychischem Leiden und Kreativität ein Stück weit in unseren Genen. Sehr vereinfacht ausgedrückt, sorgt nämlich derselbe Gentyp, der den Ausbruch einer Psychose wahrscheinlich macht, im gleichen Maße für ein äußerst kreatives Potential, wie ungarische Forscher 2009 an der Semmelweis-Universität herausfanden. Zudem sorgt das erwähnte Gen dafür, dass die Filterfunktion des Gehirns beeinträchtigt wird, wodurch ein Vielfaches an Informationen und Eindrücken freie Bahn in die zentrale Verarbeitung haben; ein regelrechtes Bombardement, was sowohl zu vermehrter Kreativität führt, als auch mit ihr verarbeitet wird, weswegen vielleicht gestalterische und musische Therapien in der Psychiatrie oft erfolgreich eingesetzt werden.

Es scheint, als ob die fehlende Filterfunktion die Betroffenen eher über die Grenzen gehen lässt, die zum Kreativsein überschritten werden müssen. Auch der bereits erwähnte Allan Snyder vertritt die Auffassung, dass Kreativität immer auch eine Art Rebellion bleiben wird, da man ausgesprochen subversiv sein müsse, um Grenzen zu überschreiten, Konventionen zu brechen und ausgetretene Pfade zu verlassen. Bewirkt also, im Umkehrschluss, der Filtermechanismus, der psychisch Gesunde vor dem Verrücktwerden bewahrt, dass der Kreativität zum Schwimmen Betonschuhe angezogen werden? Die Wahrheit liegt, wie so häufig, in der Mitte: Vermutlich darf der Filter, fachmännisch übrigens als „latente Inhibition“ bezeichnet, weder komplett durchlässig, noch zu eng stehen, um kreativ schaffend zu werden.

Nun ist eine Störung an Körper oder Geist ja eher verhindert als erwünscht werden – bringt ja auch viele andere Probleme mit sich. Es reicht auch die Störung von außen – wie wir gesehen haben. Probieren Sie doch einfach einmal aus, ob Ihre Kreativität von einer kleinen Störung profitiert – und interpretieren Sie das Klopfen des Kollegen an die Tür (der mit den Bundesligaergebnissen) so, als sei es eine super Innovation, die bei Ihnen anklopft. Um bald Ihr Leben zu bereichern.

11 Erst einmal warm werden!

08.05.2015 // 08.02 Gerriet Danz

Gerade zum Jahresanfang sind die Bänke entlang der schönsten Joggingstrecken der Stadt wieder voll mit ihnen: Dort sitzen und hängen diejenigen, die zumindest in den ersten Wochen nach Neujahr ihrem Mehr-Sport-Vorsatz, treu geblieben sind. Die dem inneren Schweinehund einen Maulkorb verpasst haben und sich in ihre – sagen wir – spannenden. Sportklamotten gequält haben. Und die dann etwas Essentielles vergessen: Das Warm-Up! Es mag lächerlich aussehen und uncool sein, aber Muskelkater, Faserrisse und andere Verletzungen sind einfach auch kein echtes Zeichen für sportliches Heldentum. Wenn wir kreativ sein wollen, sollte auch unser Gehirn vorab auf Touren gebracht werden, um entsprechend wertvolle kreative Ideen, Gedanken und Ergebnisse produzieren zu können. In vielen Unternehmen finden Kreativ-Meetings häufig im direkten Anschluss an strategische Besprechungen statt. Das ist leider eher ungünstig, weil das Gehirn in der geschilderten Terminabfolge im analytisch-linearen Modus arbeitet, also in den Arealen aktiv ist, die – salopp gesagt – eher nicht kreativ denken können. Eventuell kennen Sie es, wie es sich anfühlt, wenn man zum Beispiel aus einem Finanz-Meeting direkt in das nächste stolpert, das einem plötzlich etwas ganz anderes abverlangt – beispielsweise irgendeine Art von Ideenfindung. Es gibt Menschen, die sich für solche Tage mehrere Persönlichkeiten zulegen – eine der ungewöhnlichsten Strategien, die mir im Bezug auf dieses Problem bisher begegnet sind. 11 Uhr Chief Financal Officer. 12 Uhr 30 Innovation Director.
Eine Art Job-Schizophrenie. Es geht, zum Glück, auch anders. Aber es ist schwierig, ein Gehirn, das eben noch rationalen Gedanken folgte, zum Querdenken zu motivieren. Immer wieder wird es wahrscheinlich probieren, logische Lösungen für die Aufgabenstellung zu finden. Kreativsein wird jetzt zu einer fast unmöglich bezwingbaren Herausforderung.

Untersuchungen ergaben, dass ein Warm-Up der kreativ denkenden Gehirnareale in solchen Momenten wahre Wunder bewirken kann und das Um-Switchen von Finanzplanung auf Ideenfindung, effektiv erleichtert.
Das Ganze dauert ein paar Minuten und schon ist das Gehirn in der Lage, sich wieder quer- und quasi über die Schädeldecke hinaus zu dehnen. Bevor ich zu den einfachen Methoden kommen werde, wie man sein Hirn für einen Kreativ-Warm-Up in die Hand nimmt, möchte ich an dieser Stelle die „thinking cap“, die Denk-Kappe des australischen Forschers Prof. Dr. Allan Snyder erwähnen (mit der kriegt das Gehirn nämlich einen Kreativschub ohne Gleichen – allerdings, bisher noch zeitlich begrenzt auf etwa eine Stunde).

Snyder vertritt die Auffassung, dass man enorme Kreativität freisetzen kann, wenn man das Gehirn in einen rudimentären Zustand versetzt, quasi in die Ausgangssituation, bevor das Lernen beginnt. Nennen wir es Neuro-Reset. Lernen ist nichts anderes als das Sammeln von Informationen, die im Folgenden zu einer Art Gesamtbild zusammengefügt werden. Wenn dieses Bild dann noch gedanklich einsortiert, also gerahmt und damit zementiert wird, können wir die Details nicht mehr sehen und verlieren damit einen wichtigen Baustein zum Kreativsein. Ein Schwerpunkt Snyders liegt auf der Forschungsarbeit mit Savants – zu Deutsch: „Wissende“. Das sind Menschen, die durch eine Hirnschädigung eine sogenannte Inselbegabung haben; es gibt etwa 100 von ihnen und etwas mehr als die Hälfte davon sind Autisten. In den meisten Fällen sind diese Menschen, trotz ihrer mehr oder weniger auffälligen Behinderung, zu beeindruckenden Leistungen in der Lage und außergewöhnlich kreativ. Es heißt, van Gogh, Einstein und auch Mozart wären Savants gewesen und deswegen auf ihren speziellen Fachgebieten zur Genialität gelangt. Ebenso wie der menschenliebende Kim Peek, der von seinem Vater „Kim-Puter“ genannt wurde, weil er so ziemlich alles abspeichern konnte, was er jemals gehört oder gelesen und gesehen hatte. Er war auch menschgewordene Inspiration für den Film „Rain Man“, in dem Dustin Hoffman einen Autisten mit einer außergewöhnlichen Begabung für Zahlen spielte. Den Oskar, den Hoffman für seine Rolle gewann, widmete er Kim Peek, dem er gesagt haben soll: „I may be the star, but you are the heavens.” Diese Marginalie erwähne ich übrigens nur, weil ich neulich las, dass sich unser „Normalo-Gehirn“ Informationen am besten merken kann, wenn man sie an Emotionen koppelt – ich bin gespannt, ob und wie lange, die rührende Geschichte bei Ihnen hängen bleibt …

Zurück zur Denk-Kappe: Snyder sagt, die meisten Menschen betrachteten höhere Mathematik, Musik und Kunst als Höhepunkte der Kreativität, die einen hohen IQ, großes Engagement und viel Übung erfordern würden. Das ist nicht wahr, wie man an den Inselbegabten sehen kann. Überdies geht Snyder so weit, zu behaupten, dass Savants die Welt so sehen könnten, wie sie wirklich ist – ohne irgendeine funktionelle Einschränkung, die das Durchschnittsgehirn mit sich bringt. Warum aber haben wir nicht alle diesen selbstverständlichen Zugang zu unserem kreativen Potential? Die Antwort ist: Weil unsere Gehirnleistung von Erfahrungen und Wichtig/Unwichtig-Filtern beeinflusst wird.

Man hatte beobachtet, dass Menschen zu Savants wurden und exzeptionelle Fähigkeiten entwickelten, wenn sie auf Höhe des linken Schläfenlappens verletzt wurden, zum Beispiel durch einen Unfall. Snyders Hypothese lautet demzufolge, dass das versteckte kreative Potential eines Menschen potenziert, beziehungsweise geweckt werden kann. Indem die Teile des Gehirns lahmgelegt werden, die für komplexere Denkprozesse zuständig sind. Der Forscher ist davon überzeugt, dass die linke Hirnhälfte im „normalen Leben“ die rechte unterdrückt.
Mit seiner thinking cap befreit er die Kapazitäten der rechten Hälfte, indem er die linken Areale durch elektromagnetische Impulse inhibiert. Während Areale der linken Hemisphäre also zurückgefahren werden, springen Segmente in der rechten Gehirnhälfte an, die dem Kappenträger erlauben, viel mehr Details aufzunehmen, abzuspeichern und in den Prüfungen nach der Impulsgebung signifikant besser abzuschneiden.

Wer nach seinem Strategiemeeting keine Denk-Kappe parat hat, kann sein Gehirn mit der Methode „Fat Chance“ auf kreative Touren bringen. Dafür überlegt man sich in kleinen Gruppen eine unlösbare Aufgabe, die obendrein noch in einem vollkommen unrealistischen Zeitraum erledigt werden soll: Wie könnte man bis zum Abend des nächsten Tages 3 Millionen Euro verdienen? Wie bringe ich Leonardo DiCaprio dazu, mir bis Ende der Woche einen Heiratsantrag zu machen? Mit welchen Mittel bringe ich Conchita Wurst bis Dienstag dazu, ihren Bart abzunehmen? Für die Lösung des Problems sollten der Phantasie keine Grenzen gesetzt werden – weder rechtliche, im Bezug auf die Geldbeschaffung, noch finanzielle (was kostet eigentlich ein DiCaprio-Double?!); keine der Antworten muss rational oder logisch nachvollziehbar sein. Das Ganze dauert fünf Minuten und angestrebt werden drei verschiedene Lösungsansätze pro Gruppe. Danach kann die „echte“ Kreativarbeit losgehen. Ein anderes Kreativ-Warming-Up möchte ich „Wozuistdas?“ nennen: Fünf unterschiedliche Gegenstände werden wahlweise aus dem Büro genommen oder von zu Hause mitgebracht und auf den Tisch gelegt. Nun wird überlegt, wozu die Dinge noch taugen, außer ihrer eigentlichen Bestimmung. Könnte ein Gürtel nicht zum Beispiel auch als Stirnbandhalter eines Kampfsportlers dienen? Übrigens wurde mit dieser Methode die Computermaus erfunden: Da hatte ein Tüftler nämlich angeblich an seinem Deoroller herumphilosophiert. Beide Übungen sind deswegen so effektiv, weil sie im Grunde unmöglich zu lösen sind und deswegen bringt unkreatives Denken an dieser Stelle niemanden weiter – man kann gar nichts anderes als kreativ zu werden.

Nun wissen Sie, wie Sie sich vor dem nächsten Kreativsein aufwärmen können – und dass sich bei den geschilderten Übungen auch noch die Stimmung hebt, ist nochmal ein ganz eigener Dünger für Ihre Kreativität.

10 Wer nichts falsch macht, macht wohl gar nichts.

08.05.2015 // 07.58 Gerriet Danz

Was der Norddeutsche mit: „Am Kopp fängt der Fisch an zu stinken!“ auf den Punkt bringt – nämlich, dass gravierendere Probleme in Unternehmen ihren Ursprung in der Regel auf Höhe der Führungsetage haben – lässt sich auch genauso gut umkehren und positiv definieren: Der Kopf hilft dem Fisch aufs Fahrrad! Das bedeutet, dass der Führungsstil des Managements einen eklatanten Einfluss auf die Entfaltung des Kreativpotentials und die Innovationskraft der Mitarbeitenden hat. Überlegen Sie doch einmal, welche Führungsstile Sie kennen! Mir fielen da auf Anhieb ein: der autoritäre, der wahrscheinlich, wenn auch selten, noch in alten, oft patriarchisch tradierten (Familien)Betrieben gelebt wird; der kooperative, bei dem die Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden; der laissez-faire, bei dem die Gruppe die Kontrolle hat – und der vielen noch aus den Kinderläden der 1960er Jahre bekannt sein dürfte; oder auch der charismatische, den man beispielsweise einem John F. Kennedy nachsagt. Wahrscheinlich sind Ihnen zu jedem dieser Führungsstile auf Anhieb auch ein paar persönliche Beispiele eingefallen, weil Sie im Laufe Ihres Berufslebens mit ihnen Bekanntschaft machten. Haben Sie dann jetzt auch ein Bild vor Augen für den transformationalen Führungsstil? Der ging nämlich aus einer Vielzahl an Untersuchungen ganz klar als Sieger im Vergleich zwischen den Führungsstilen hervor: Er fördert nicht nur die Kreativität der Mitarbeiter am meisten, sondern ist auch ein Booster für größere wirtschaftliche Erfolge, gesteigerte Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter, gute persönliche Beziehungen untereinander, häufigeres Erreichen von gesteckten Zielen, einer höheren Zufriedenheit aller Teammitglieder sowie einer niedrigen Fluktuation der Angestellten.
Klingt großartig, nicht wahr? Was genau aber beinhaltet der, in den Studien gepriesene und aufgrund seiner Erfolge auf so vielen Ebenen kaum kritisierte, transformationale Stil? Wikipedia bezeichnet ihn als „ … Führungsmodell, bei dem die Geführten Vertrauen, Respekt, Loyalität und Bewunderung gegenüber der Führungskraft empfinden …“ An anderen Stellen kann man lesen, dass Menschen, die in der Lage sind, auf diese Weise anzuleiten, zu führen und zu motivieren, ihre Untergebenen für eine Vision begeistern und die Identifikation mit dem, wofür oder woran man gemeinsam arbeitet festigen können. Sie führen durch ihr engagiertes, visionäres, kreatives, innovatives, offenes und empathisches Vorbild und sind sich darüber bewusst, dass ein „gut genug“ immer noch zu optimieren ist. Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt sein, dass es auch die dunkle Seite der Macht die ungeheure Effizienz des transformationalen Führens kennt: Alle berühmt-berüchtigten polistischen Massenmörder waren transformationale Führer, wenn auch für die falsche Sache, mit abscheulichen Visionen und dem mörderischen Konzept, Andersdenkende zu vernichten. Trotz allem hatten sie eine begeisterte Masse hinter sich. Abgesehen von den Machenschaften historischer Schattenfiguren, lohnt sich Transformationalität für alle Beteiligten; Wer ganz genau wissen möchte, wie es um die eigene transformationale Führungskompetenz bestellt ist, kann diese übrigens in einem 50 Fragen umfassenden Test ermitteln, unter www.fuehrungskompetenzen.com. Durchdachter Weise berücksichtigt diese Version des Instituts für Management-Innovation von Prof. Dr. Waldemar Pelz durchaus den deutschen Kulturhintergrund. Wer für eine amerikanische Firma arbeitet, findet unter www.mindgarden.com/products ein entsprechendes Pendant. Es liegt auf der Hand, dass unter den geschilderten Arbeitsbedingungen die Voraussetzungen für Kreativität – die, wie bereits erwähnt wurde, messbar ansteigt – und damit für innovative Ideen nicht besser sein können. Mitarbeiter, die keine Angst davor zu haben brauchen, dass sie einen Fehler machen könnten, können schaffenskräftig, innovativ, frei und entspannt zu Werke gehen – denn Scheitern gehört zum Kreationswerk. Prof. Diego Rodriguez von der Stanford University hat in seinen 20 Innovationsprinzipien einige zum Thema Fehlermachen, sie lauten – frei übersetzt – folgendermaßen:

1. Du kannst alles richtig machen und trotzdem scheitern.
Wer etwas Neues, noch nie da Gewesenes erdenkt, kann (noch) nicht auf allzu viele Erfahrungen zugreifen, es sei denn, er ist schon einmal gescheitert, dann hat er hoffentlich etwas daraus gelernt und macht denselben Fehler nicht noch einmal.

2. Fehler sind unangenehm, aber lehrreich.
Dieses Prinzip ergibt sich aus dem zuerst genannten. Noch leben die meisten von uns in einer Kultur, die Fehler nicht unbedingt begrüßt. Dennoch kann man an sich selbst und seiner Einstellung zu Trial & Error arbeiten und sich immer wieder bewusst machen, dass man aus Fehlern lernt.

3. Freue Dich über Fehler, die aus einer Handlung resultieren. Vermeide Fehler, die auf Untätigkeit basieren.

Wer nichts tut, macht auch keine Fehler; allerdings bedeutet Stillstand auch Rückschritt. Und wer handelt, dem werden beinahe zwangsläufig auch mal Dinge daneben gehen. Also braucht es den Mut zum Fehlermachen und den entwickelt man leichter, wenn einem nicht gleich der Kopf abgerissen oder der Stuhl vor die Tür gestellt wird. Wie wäre es stattdessen, den Wagemut zu prämieren, OBWOHL das Vorhaben gescheitert ist? Ein hervorragendes Beispiel für Kreativsorge des Arbeitgebers, oder auch Innovations-Push-Ups, ist die indische Unternehmensgruppe Tata, die seit 2007 jährlich einen Award Namens „Dare to try“, „Trau Dich, es zu versuchen“, für den besten Fehler an ein Team oder auch Einzelpersonen verleiht, die mutig genug waren, etwas Neues auszuprobieren und dabei scheiterten. Die Firmenphilosophie des Konzerns vertritt nämlich die plausible Auffassung, dass die intelligenten Fehler der Gegenwart, die Bausteine für die bahnbrechenden Erfolge der Zukunft sind, und fördert dadurch aktiv eine Unternehmenskultur, die von Risikobereitschaft, Beharrlichkeit und einem offenen Austausch über Erfolge – und eben auch über Misserfolge – geprägt ist.
Die Frage nach einem Fehler sollte also vielleicht nicht lauten „Wie konnte das passieren?“ sondern vielmehr „Was können wir daraus lernen?“ Übrigens wieder ein Beispiel, wie transformationales Führen beflügelt.
Gleichgültig, wo in der Welt die kreativen, innovativen Unternehmen ansässig sind, laut Judy Estrin, Autor und Gründer von sieben High-Tech Firmen, haben sie alle ein paar grundsätzliche Dinge gemeinsam: Sie ermutigen ihre Mitarbeiter dazu, einander zu vertrauen, sich kritisch über die Arbeit der anderen zu äußern und andererseits die Kritik auch offen anzunehmen. Die Führungskräfte bestärken durchdachte Experimentierfreude, sie tolerieren Fehler und bestehen darauf, dass Mitarbeiter Informationen und Arbeitsergebnisse offen teilen. Diese Beschreibung deckt sich mit den Anforderungen, die jemand erfüllen muss, damit man ihm transformationale Führungskompetenz attestieren kann; und das ist es, was den Fisch aufs Fahrrad bringt oder zumindest auf kreative Gedanken.

09 Innovativ mit Links

25.03.2015 // 14.39 Gerriet Danz

Vereinfacht ausgedrückt, besteht das menschliche Gehirn aus einer linken und einer rechten Gehirnhälfte, den sogenannten Hemisphären. Schenkt man dem populärwissenschaftlichen Hemisphärenmodell Glauben, sind diese beiden Hälften unterschiedlich begabt, beziehungsweise für verschiedene Aspekte des Daseins zuständig: Im linken Teil sitzt die Logik, hier läuft alles ab, was in Schritte untergliedert und abgespeichert werden kann, wie beispielsweise Buchstaben und mathematische Symbole. Foto 3 Kopie
Zahlen, Daten, Fakten – Sie wissen schon. Für die wirkliche Bedeutung und Zuordnung der aufgeschnappten Informationen, braucht es jedoch die rechte Hirnhälfte. Das heißt, das Minuszeichen bekommt seine Bedeutung nur durch die bildhafte Vorstellungskraft der rechten Hemisphäre; sie erkennt, wozu etwas gut ist und was man damit anstellen kann und ist damit der kreativ-bildhafte Gehirnteil, der auch dafür sogt, dass Knetgummi und Lego soviel Spaß machen.

Kinder nutzen die beiden Gehirnhälften gleichermaßen und im Allgemeinen recht ausgewogen. Dadurch erklären sich auch die, von Eltern oft gefeierten und viel gerühmten Entwicklungsschübe der Nachkommen, in denen sich das Sprach-Spektrum der lieben Kleinen innerhalb weniger Tage und Wochen von gebrabbelten Einwort-Antworten auf komplexe Satzstrukturen erweitert. Mit der Folge, dass der Zögling in Nullkommanix zum Alleinunterhalter der Sandkiste mutiert – der Einwort-Brabbler „Auto. Auto…“ wird also kurzfristig zum argumentationsstarken Autoverkäufer in Miniaturausgabe: „Audi. Toll. Papa.“

Tröstlich zu wissen, dass diese Eigenschaften einem eigentlich ein Leben lang erhalten bleiben, solange nichts Gravierendes dazwischen kommt; und selbst dann übernimmt mitunter die eine Hemisphäre, soweit es ihr möglich ist, die Funktionen der anderen. Die meisten Alltagssituationen des 21. Jahrhunderts fordern schwerpunktmäßig die linke Gehirnhälfte: Zahlen, Buchstaben, Gesetzmäßigkeiten, Bedienungsanleitungen, Spielregeln und Denkvorschriften bestimmen das Geschehen, während dem Talent der rechten Hemisphäre höchstens noch ein schattig-feuchtes Betätigungsfeld im Hobbykeller angeboten wird – wenn überhaupt. Dabei waren und wären die beiden Gehirnhälften doch einmal ein Traumpaar! Und wie vorteilhaft wäre es, wenn kreatives Potential auch bei rationalen Lernprozessen zur Entfaltung käme.

Tatsächlich kann man sein Gehirn dahingehend trainieren. Längst haben diverse Untersuchungen belegt, dass unsere Denkmasse sich formen lässt. Die Begründerin des Instituts für gehirn-gerechtes Arbeiten, Vera F. Birkenbihl, empfahl zur Stimulation beider Hemisphären täglich etwa zehn Minuten sowohl Assoziationsübungen als auch analoges Denken zu üben, damit läge man ihr zu Folge den Grundstein zum Erlernen sämtlicher Kreativtechniken.

Beim Assoziieren geht es darum, was einem zu einem Begriff alles einfällt; Beispiele hierfür sind das gute, alte Stadt-Land-Fluss-Spiel oder der Kreuzworträtseleffekt à la: Ich suche einen Vogel mit dem Anfangsbuchstaben M oder einen weiblichen Vornamen mit D. Aus einem Gedanken ergibt sich ein neuer – das reizt auch die scheinbar so rationale, lineare und logische linke Seite des Gehirns dazu, auf ihre besondere Art in Kooperation mit dem Nachbarn von der anderen Kopfseite zu gehen.

Beim analogen Denken geht es um Metaphern, also Vergleiche, mit denen die analoge, Bild-affine, gleichnishafte rechte Gehirnhälfte gefordert wird. Auf die Frage, „Als was sehe ich mich heute?“, kommt vielleicht schon mal die Antwort, „Als Kaktus“ und man bohrt weiter: „Warum ein Kaktus? Was macht er mit seinen Stacheln? Will er niemanden an sich heranlassen? Hat er Angst? Wovor? Was sagt mir das über mich/meine Situation?“ … und so weiter und so fort. Das mag vielleicht zunächst etwas seltsam sein, ist aber ein Turbo für Ideen. Und Sie können ja auch was Anderes nehmen als den Kaktus.

Hier noch eine andere lustige Hemisphärengeschichte. Sie zeigt, wie man das Um-die-Ecke-Denken und Kopföffnen fördern kann. Sie offenbart aber auch, was für ein Bein uns die Logik oft stellt. Während die linke Gehirnhälfte Informationen selektiv speichert, generiert die rechte eher Bilder. Leider beeinträchtigt die selektive Wahrnehmung häufig das Verstehen an sich – und dann kann dann buchstäblich gar nichts begriffen werden.

Beispiel gefällig? Dann spreche ich mal gezielt Ihre linke Gehirnhälfte an, indem ich Sie bitte, sich einen Kreis mit zwei Ecken vorzustellen. Was macht jetzt Ihr Hirn? Höchstwahrscheinlich funkt es Ratlosigkeit – es sei denn, sie kennen bereits den Clou der Geschichte. Nahezu verzweifelt, versucht Ihr Denkapparat jetzt nämlich dem Kreis zwei Ecken zu verpassen – und zwar deshalb, weil das Wörtchen „mit“ in ihrem Hirn die Ecken in den Kreis integrieren will. Was natürlich kaum geht. Die Lösung liegt im Dazuschalten der anderen Hirnseite: Wenn Sie nämlich „mit“ als „und“ interpretieren, wird’s einfach: Denn es ist dann völlig egal, ob die Ecken nun außerhalb des Kreises liegen, als Bestandteil des Kreise innerhalb, übereinander oder oder oder … Wer es verstanden hat, braucht nun nur noch Bruchteile von Sekunden für die Lösung. Die rechte Gehirnhälfte hat nun ein Bild – und gut ist.

Es gibt Forscher, die behaupten, es würde Menschen kreativer denken lassen, wenn sie vor dem kreativen Arbeitseinsatz einen Softball in ihrer linken Hand kneten würden, wodurch sie ihre rechte Gehirnhälfte stimulieren würden. Tatsächlich erzielte die Gruppe der mit links knetenden Probanden in einer Studie der Universität Trier bessere Ergebnisse, als die Gruppe, die mit rechts geknetet hatte – kann es wirklich SO einfach sein? Probieren sie es doch einfach einmal aus und schauen Sie selbst, was passiert!

Wäre diese These dann nicht auch Nahrung für die häufig aufgestellte Behauptung, Linkshänder seien – quasi von Natur aus – kreativer als Rechtshänder? Schließlich erledigen sie die meisten Sachen hauptsächlich und buchstäblich mit Links und befeuern damit ständig die rechte Gehirnhälfte, die, wie bereits erwähnt, für kreatives und ganzheitliches Arbeiten, Denken und Funktionieren zuständig sein soll. Verschiedene Statistiken zeigen, dass in kreativen Berufen tatsächlich ein auffallend hoher Prozentsatz an Linkshändern arbeitet; allerdings geht man davon aus, dass der Grund hierfür vielleicht in der Tatsache besteht, dass Linkshänder von klein auf an in den meisten Fällen etwas anders waren als die anderen (schon allein, weil sie die Dinge andersherum machen als ihre Mitmenschen).
Laut Linkshänder-Forscher Chris McManus ist nichts dran an der These vom überdurchschnittlichen Kreativpotential der Linkshänder. Er verweist auf Paul McCartney, den Ober-Beatle und Linkshänder: Auf jeden berühmten Musik-Linkshänder, so McManus, kämen etwa neun ebenso kreative rechtshändige Rockmusiker mit Chart-Erfolgen.

Zum Schluss noch ein paar recht lustige Erkenntnisse zur Links-Rechts-Diskussion, die auf äußerst komplexen Studien beruhen, aber an dieser Stelle stark zusammengefasst werden: Was den Händen nachgesagt wird, erfüllt auch die Nase mit Bravour. Ja, richtig verstanden: Wir unterscheiden uns in Eher-durch-das-linke-Nasenloch-Atmer und Mehr-rechts-Loch-Atmer. Laut Beobachtungen von Venthan Mailoo, veröffentlicht im Indian Journal of Physiotherapy and Occupational Therapy, hat dies nicht nur Einfluss auf die generelle Gestimmtheit von Menschen (Linksatmer haben deutlich mehr Angst und andere negative Gefühle als Rechtsatmer), sondern auch auf das räumliche Vorstellungsvermögen wirken. Bei Männern greift dies sogar ins sprachliche Ausdrucksvermögen ein: Eher-Rechtsatmer reden besser – vorausgesetzt man hat das schon mindestens eine halbe Stunde praktiziert und beginnt dann erst zu sprechen.

So, jetzt atmen Sie mal gut durch – rechts, links oder wo Sie möchten. Atmen an sich erleichtert das Denken nämlich an sich schon mal. Und freuen Sie sich auf das nächste Mal. Ich jedenfalls freue mich jetzt schon.

08 Assoziations­ketten – machen Sie sich frei!

25.03.2015 // 13.55 Gerriet Danz

Achtung, heute heißt es „Mitmachen“: Nehmen Sie sich bitte bei nächster Gelegenheit einmal 20 Sekunden Zeit (also zum Beispiel jetzt), um alle möglichen – und im ersten Moment vielleicht auch unmöglich erscheinenden – Assoziationen zum Begriff „Tomate“ aufzuschreiben.

Wie sieht Ihre Liste aus? Auf wie viele Wörter kamen Sie? Und sind es Wörter, von denen jeder zufällig Vorbeikommende sofort vermuten würde, sie hätten wohl alle irgendwie etwas mit einer „Tomate“ zu tun?

Im Grunde spaltet die Menschheit sich beim Assoziieren nämlich in zwei Lager:
Die einen haben vor sich eine Liste mit ein paar sehr naheliegenden Wörtern, wie beispielsweise rot, Gemüse oder Ketchup. Vermutlich sind sie sehr schnell auf ein oder zwei Handvoll von Wörtern gekommen und haben zum Ende der Zeit eher nichts mehr geschrieben und darauf gewartet, dass die 20 Sekunden endlich vergangen sind.

Die anderen blicken auf eine Vielzahl von niedergeschriebenen Assoziationen, worunter einige extrem weithergeholt sind, so wie Kino, Clown oder Kühlschrank. Wahrscheinlich war das Tempo, in dem diese Einfälle kamen, nicht so hoch, wie bei der ersten beschriebenen Gruppe. Dafür hätten die langsam Assoziierenden meistens, auch nach Ablauf der Zeit, noch munter und weiter vor sich hin assoziieren können, hätte man sie nur gelassen.

Neurologisch betrachtet, verfügen die Schnellschuss-Denker über sogenannte „steep associative hierarchies“, also steile Assoziations-Hierarchien; ihre Gehirne kommen auf wenige und naheliegende Assoziationen. Menschen mit so einem Assoziations-Rinnsal, gelten, nach der„Theorie der Kreativität“(1962) des US-Wissenschaftlers Sarnoff A. Mednick, als nicht unbedingt prädestiniert für die Entwicklung von kreativen Ideen, Lösungsansätzen oder eben auch „nur“ Assoziationen.
Die andere Gruppe mit der Endlosliste dagegen, hat also allem Anschein nach „flat associative hierarchies“, also flach verlaufende Assoziations-Hierarchien. Naheliegendes ist ihnen häufig zu kurz gedacht, zu wenig weit gesprungen. Sie lieben das mentale Trampolin, Ihre Gehirne reizen Aufgaben, wie die zu Beginn dieses Textes. Das Ergebnis ist eine Vielzahl verschiedener, scheinbar unzusammenhängender Denkansätze, die sie zeitgleich verfolgen. Aber können diese Menschen sagen, wie Sie auf solche scheinbar chaotischen Lösungen gekommen sind? Anwort: Ja! Und sie sind sogar in der Lage, diese Lösung ganz plausibel auf die Aufgabenstellung zurückzuführen. Ganz schön clever. Diesen Leuten, mit einer derartigen Assoziationsflut im Kopf, bescheinigen Forscher wie Martindale (1981) oder Mendelsohn und Griswold (1966), dass sie wahrscheinlich sehr häufig und einfach, ungewöhnliche und kreative Ergebnisse erzielen – wobei auch immer. Sind sie also die Könige der Kreativität? Von der Wissenschaft zum Ideen-Ritter geschlagen? Oder gibt es auch noch andere Wege zum Heureka?

Und ja, es gibt sie. Denn das eine ist die Ausgangslage, das andere ist, was man daraus macht. Soll heißen: Mit ein wenig Training kann sich fast jeder zum querdenkenden Assoziationswunder entwickeln. Im Grunde ist es ganz einfach, man braucht sich bloß selbst mit Situationen, Gegenständen, Themen und so weiter, zu befassen, die nichts mit der eigentlichen Aufgabenstellung zu tun haben. Also so eine Art kontrollierte Ablenkung, gezielte Verwirrung, ein Raus aus der zu starken Konzentration auf die Aufgabe. Es scheint sich sogar in einigen Studien zu bestätigen, dass Menschen mit einem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, die sich also eher schlechter auf eine Sache konzentrieren können, starke Kreative sind.

Bevor es aber in Sachen gezielter Ablenkung zu praktischen Beispielen übergeht, noch eine kurze Geschichte, die das Leben schrieb. Ein prominenter Beweis dafür, wie effektiv ein breites Wissensspektrum und ein großer Schatz an (Lebens)Erfahrung für kreative Ergüsse ein können, ist Steve Jobs, der im ersten Semester sein Studium abbrach und sich stattdessen unter anderem mit Kalligraphie-Unterricht beschäftigte. Er soll sich intensiv mit Schriftbildern und -zügen auseinandergesetzt haben – ganz ohne dafür in diesem Abschnitt seines Lebens eine wirkliche Verwendung oder einen praktischen Nutzen erkannt zu haben. Einige Jahre später erst, als Jobs sich mit der Entwicklung von Computern, oder viel eher mit Innovationen in der IT-Branche beschäftigte, zeigte sich, was sein Exkurs in die Schriftkünste gebracht hatte: In einer Bildschirmwelt, die ausschließlich aus schwarzen Bildschirmhintergründen mit hässlich-grünen Blockbuchstaben bestand, kreierte Jobs eine der buchstäblich schönsten Innovationen der Digitalgeschichte: nämlich die unteschiedlichen Schrifttypen, die wir heute jeden Tag auf dem Computer nutzen.

Es gibt viele Studien, die inzwischen belegen, dass unterschiedliche Reize das kreative Denkvermögen steigern; so lautete auch die Arbeitshypothese von Maria Clapham an der Drake University, USA. In ihrer Untersuchung gab sie einer Gruppe Menschen eine Aufgabe, bei der kreative Ideen gefragt waren. Bevor sie ans Werk ging, blieb diese Gruppe von jeglichen Reizen verschont. Eine zweite Gruppe indessen wurde gebeten, eine Vielzahl unzusammenhängender Artikel, Informationen und Schriftenschnipsel zu lesen, bevor sie mit der Kreativaufgabe begann – und signifikant besser abschnitt, als die „unter-informierte“ Gruppe.

Noch einmal zurück zu der freudigen Nachricht, dass jeder in der Lage ist, Quer- und Kreativdenken zu trainieren: Wie wäre es beispielsweise, mal einen Städtetrip in eine vollkommen fremde Stadt zu unternehmen? Oder sich hin und wieder eine Zeitschrift zu Gemüte zu führen, deren Genre einen normalerweise nicht interessiert? (Oft steckt hinter so verheißungsvollen Zeitschriften wie „Angel und Reuse“, “Der deutsche Pudel” oder „Der Metzger“ einiges an Inspiration).

Kürzlich war ich zum ersten Mal in einem „Fressnapf“-Superstore. Weder habe ich Fische, noch Kaninchen, keine Rennmäuse oder Wellensittiche. Die Chance, dass ich mir so ein possierliches Tierchen anschaffe, liegt bei Null. Schon allein wegen meiner Allergien. Ein Hautarzt hat mir mal bestätigt, dass ich mir ausschließlich Rinder anschaffen dürfe, auf alles andere reagiere mein Körper allergisch. Nur: Für eine Rinderherde fehlt mir der Platz. Also lass ich das. Und dennoch: Der Ausflug ins Tierfutter-Wunderland war grandios. Ich habe dort Produkte gefunden, die ich noch nie gesehen habe. Totenschädel-Deko für das Aquarium (erschreckt der gemeine Guppy dabei nicht?). Oder Katzen-Geschirre, die ich eher im Umfeld von „50 shades of grey“ verortet hätte. Und ich sah ein Mangroven-Holzstück, das mich zu einem Kunstwerk inspirierte. Denn gerade bin ich dabei, ein neues Haus einzurichten. Was ist da passiert: Ich habe meine Einrichtungspläne mit einer Zufallsbekanntschaft „Mangrove“ bei Fressnapf kombiniert. Zufällig. Ungeplant. Verwirrung. Ich war mir schon vorher fast sicher, dass mir im Inneren des Geschäftes so etwas passieren würde. Mit einem Igel hätte ich den Laden nie verlassen, mit einer Idee schon.

Übrigens funktioniert es auch gut, mal einen Artikel aus dem Zeitungsteil zu lesen, den Sie gewöhnlich nicht mal aufblättern. Einfach mal ran an den Kulturteil, auch wenn das so gar nicht ihre Sache ist. Und auch wenn Sie Fußgänger sind, kann gerade der “Motor”-Teil Sie zu kreativen Höhenflügen bringen.

Auch die Lesung, die einen eigentlich nicht anspricht, oder der Vortrag zu einem Thema, das einen bisher kalt ließ, oder der Science Fiction-Film für Star-Treck-Genre-Hasser sind oft hervorragende Fundgruben. Etwas mögen oder beflügelt werden sind oft zwei Paar Schuhe.

Vielen hilft auch schon der berühmte Spaziergang mit offenen Augen und wachem Blick durch die Natur, währenddessen sich ganz bewusst auf Dinge konzentriert wird, die nichts mit der eigentlichen Aufgabenstellung zu tun haben. Wenn Sie dann später wieder im Büro über Ihrer kreativen Aufgabe brüten, kramen Sie ganz einfach in ihrem körpereigenen Bilderarchiv: Denken Sie an die Natur-Bilder von eben zurück und verlinken Sie sie mit ihrer Aufgabe – oft sprudelt es dann irgendwann von selbst.

Und wer über die Ausstattung von Räumen entscheiden kann, in denen kreativ gearbeitet werden soll, tut gut daran, dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter hier auf wechselnde Reize stoßen: Ob Zeitschriften, Lithographien, Knetgummi, Lego-Körbe oder anderes Spielzeug – auch hier sollten der Innovationskraft alle Möglichkeiten zur Entfaltung geboten werden.

07 Warum Farben und Formen innovativer machen.

25.03.2015 // 12.29 Gerriet Danz

Warum Farben und Formen innovativer machen.

Neueste Untersuchungen belegen, dass die Gestaltung des Arbeitsumfeldes großen Einfluss auf die Kreativität des Einzelnen hat.

Eine Studie der University of British Columbia fand beispielsweise heraus, dass Menschen signifikant bessere Ergebnisse beim Lösen einer kreativen Aufgabe erzielten und im Anschluss mehr unterschiedliche Denkansätze präsentierten, wenn sie sich in einem Raum befinden, der in warmen Farben gehalten ist, als diejenigen, die in einem Zimmer arbeiten, das in kalten Farben, zum Beispiel Eisblau, eingerichtet ist. Eine Erklärung könnte sein, dass warme Farben, wie gelb, orange, rot und braun, im allgemeinen eine positivere Wirkung auf das Gemüt haben sollen. Laut Untersuchungen der kanadischen University of Alberta steigen, als Reaktion auf warme Farbtöne, messbar Puls und Atemfrequenz; die Probanden fühlen sich glücklicher und bewerten die Atmosphäre in einem solchen Raum als angenehm und freudvoll.

Körperlich macht sich Glück durch die Ausschüttung von Wohlfühlhormonen bemerkbar, beziehungsweise sorgen umgekehrt Hormonschübe für Emotionen – man denke an nur einmal an das beflügelnde Phänomen des Verliebtseins, das neurophysiologisch betrachtet übrigens das Gehirn genauso umbaut, wie bei einer Drogensucht, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls denkt der Kopf, neurologisch bewiesen, ergiebiger – kreativer – wenn der Mensch glücklich ist, Ideen können effektiver entwickelt und ergänzt werden und die Fähigkeit zum Querdenken verbessert sich. Warme Farben, so lautete die Schlussfolgerung, schaffen Nähe und wirken auf den Betrachtenden aktivierend, vitalisierend und anregend. Wer jetzt denkt: „Super, einfacher kann es kaum sein: Maler anrufen und ab Mittwoch sind die Büroräume orange und alle Mitarbeiter zu kreativen Höhenflügen im Stande“, sollte mit dem Griff zum Telefonhörer noch kurz warten und sich bitte das Folgende zu Gemüte führen; ganz so simpel ist es nämlich doch nicht.

Was den einen in Wallung bringt, ist für den nächsten ein Warnsignal: Rot sagt dem Unterbewussten zwar: „Liebe“, aber eben auch „Gefahr, Achtung, Blut!“ oder „Stehenbleiben“, wenn man sich in den Alltag eines Städters versetzt und an das Signallicht einer Ampel oder ein Stoppzeichen denkt. In Punkto Farbgebung und deren Wirkung auf die Psyche existieren kulturbedingte Unterschiede und individuelle Assoziationsfallstricke. In einigen asiatischen Kulturen ist Weiß die Farbe der Trauer und nicht Schwarz, wie in vielen anderen Gesellschaften. Gelb waren im Mittelalter die Kopftücher der Prostituierten – sie waren verpflichtet, diese zu tragen. Judensterne im dritten Reich waren gelb; Gelb gilt auch als Farbe des Neids. Trotzdem wird Gelb heute landläufig mit Heiterkeit, Wärme oder Jugendlichkeit assoziiert. Hinzu kommen die persönlichen Erlebnisse mit einer Farbe: Wer eine schöne Schulzeit erlebte und bei Gelb an die Farbe seiner Schulbusses denken muss, auf den wird diese Farbe definitiv anders wirken als auf jemanden, der Negatives assoziiert, wie beispielsweise den gelben Pullover von Deppen-Olli, dem Blödmann, der einem in Kindertagen viel zu häufig eine Tracht Prügel auf dem Spielplatz bescherte – um sich danach wieder und wieder mit einer Tafel Kinderschokolade einzuschleimen.

Alle, die in den 1990er Jahre schon ein Bewusstsein hatte, dürften sich noch an Feng Shui erinnern, die Jahrtausende alte chinesische Gestaltungskunst, die Yin und Yang und außerdem alle fünf Elemente in so ziemlich allem beachtet, was mit dem täglichen Leben zu tun hat. Nehmen wir nur einmal einen kleinen Aspekt aus der sehr komplexen Lehre heraus und richten unsere Aufmerksamkeit auf die Farben, die das Feng Shui als die Kreativität fördernd erachtet. Was sieht man? In vielen Veröffentlichung wird zu Grün, Gelb und Orange an den Wänden geraten, wobei Orange auch den Appetit anregen soll, es empfiehlt sich eventuell vor der Umdekorierung ein Blick auf die körperlichen Ausmaße der Belegschaft.

Tödlich für Kreativität und Innovation sind übrigens Großraumbüros. Die Soziologin Wendy C. Regoeczi von der Cleveland State University, Ohio, fand heraus, dass ein Übermaß an (räumlicher) Nähe zu Aggressionen und Rückzug führt. Zustimmung erntet Regoeczi bei Forscherkollegen der Calgary University, Kanada, die bei Großraumbüroopfern erhöhte psychische und physiologische Stresswerte nachwiesen. Insbesondere Menschen, die komplexe Aufgaben bewerkstelligen müssen, büßen in der lauten, wühligen Arbeitsumgebung Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit ein, wie eine australische Studie 2005 belegte.

In den letzten Jahren hat sich immer mehr herauskristallisiert, wie wichtig es ist, dass die
(Arbeits-) Umgebung den menschlichen Bedürfnissen entgegenkommt. In Amerika werden inzwischen ganz selbstverständlich Architekturpsychologen zur Gebäudeplanung hinzugezogen, in Deutschland hält man von dieser Berufsgruppe meistenorts (noch) nicht viel, was die Weiterentwicklung auf diesem Gebiet zum Glück nicht hemmt.

Janetta Mitchell McCoy und Gary W. Evans von der Cornell University definierten fünf architektonische Konzepte, die das Wohlergehen – und damit, wie wir wissen, auch die Kreativität – eines Menschen beeinflussen: Stimulierung, Kohärenz, Kontrolle, Erholung und Affordanz. Was bitte ist Affordanz, fragen Sie jetzt vermutlich den Danz. Ich fand den Ausdruck so schön – auch weil man Namen darin verwurstet wurde. Ich werde es gleich erklären. Klingt erst einmal kompliziert, ist aber durchaus nachvollziehbar:

Beginnen wir mit dem Begriff “Stimulierung“. Die braucht der Mensch, um auf Ideen zu kommen. Am besten sollte die Umgebung dafür weder zu eintönig noch zu aufregend oder überladen sein und keine grellen Farben oder wilde Muster aufweisen. Auch genügend Freiraum für das Individuum ist wichtig – wie sollte man sich auch ohne diesen entfalten können?

Kohärenz, vom lateinischen „cohaerere“ (zusammenhängen) beschreibt den Grad, in dem man sich in seiner Umgebung zurecht findet. Verwirrung ist nie gut, man braucht das gute, sichere Gefühl, den Raum übersehen und beherrschen zu können.

Kontrolle spielt auch in die voran gegangenen Konzepte hinein, meint aber außerdem noch die Einflussmöglichkeiten des Einzelnen auf Umgebungsparameter, wie unter anderem Licht oder Temperatur – oder auch das Maß an Gesellschaft. Wer effektiv und kreativ denken soll, braucht die Möglichkeit allein zu sein – ebenso, wie den Austausch mit anderen. Gibt es dafür in einem Unternehmen Räumlichkeiten, ist viel gewonnen.

Erholung und gleichzeitig Inspiration bieten Gestaltungselemente, die ohne Anstrengung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wie beispielsweise ein Aquarium, ein Zimmerbrunnen oder ein Fenster mit Blick in die Natur. So widersprüchlich die Ergebnisse zum Thema „Farbwirkung“ sind, so übereinstimmend sind die Forschungserkenntnisse, was die positive Wirkung von Naturansichten und natürlichen Designelementen auf Arbeitsprozesse angeht (an der University of Delaware wurde sogar nachgewiesen, dass frisch operierte Patienten in einem Zimmer mit Aussicht schneller genesen, weniger Schmerzen empfinden und insgesamt emotional stabiler wirken als Patienten, die von ihren Betten aus auf Bauwerke gucken).

Und jetzt kommt’s – Sie erinnern sich: dieses Wunderwort „Affordanz“. Wörtlich übersetzt bedeutet es „Angebot“, also im Zusammenhang mit der Raumgestaltung: Inwieweit regt die Umgebung mich an, etwas zu tun? Dabei ist ein Sessel zum Beispiel die möbelgewordene Inspiration zum Sitzen. Negative Affordanz wären beispielsweise versteckte Stufen, also Stolperfallen, oder Türen, bei denen nicht klar ist, zu welcher Seite sie sich öffnen.

Was tun, wenn man im wahrsten Sinne des Wortes schlechte Aussichten hat – also dort, wo man hinschaut oder rausguckt? Hier sind sich Feng Shui und die Freie Universität zu Brüssel einig: Man behelfe sich mit so vielen natürlichen Motiven und Materialien, wie möglich – Bahn frei für Bildschirmschoner mit Landschaftsmotiv und Zimmerpflanzen aller Art (bloß bitte keine Bonsais und Kakteen, die hemmen nicht nur das geistige sondern auch das finanzielle Wachstum (sagt man so) – kreativer wird man dann bestimmt auch nicht.