Danzblog

Innovation Expert. Speaker.

Wer gut hören kann, kann gut hirnen.

20.02.2017 // 17.46 Gerriet Danz

Hatten Sie das auch schon mal: Sie werden fast verrückt, weil Ihnen jemand gegenüber sitzt, der laut kaut? Wissen Sie, was ich meine? Nicht die offensichtlichen Schmatzer, die ohne Frage jeden stören, sondern die Menschen, die Geräusche machen, ohne wirklich Anstoß zu erregen. Es sei denn … man verfügt über ein außergewöhnlich kreatives Gehirn!

Es ist nämlich gar nicht ungewöhnlich, dass die Menschen, denen ein kreativer Kopf nachgesagt wird, häufig auch diejenigen sind, die sich als geräuschempfindlich entpuppen. Scheinbar versagt nämlich in ideenreichen Denkzentralen der kleine Mann im Ohr, der dazu da ist, unwichtige Töne von wichtigen zu unterscheiden und in Folge nur die wirklich wichtigen vorbeizulassen. Das Ganze ist im Grunde ein unwillkürliches neurologisches Geschehen, dass uns vertraute (unwichtige, da ungefährliche) Geräusche einfach überhören lassen soll. So können wir uns unbeirrt dem widmen, was wir gerade in der Mache haben. Unser schreiendes Kind oder ein Martinshorn dagegen, erfordern augenblickliches Unterbrechen unseres Tuns und sofortiges Handeln – und damit eben auch: Hinhören.

Darya Zabelina, Daniel O’Leary, Narun Pornpattananangkul (wirklich, heißt so!), Robin Nusslock und Mark Beeman von der Northwestern University fanden nun einen Zusammenhang heraus, zwischen Kreativität und dem Unvermögen, Geräusche zu filtern. Zunächst mussten ihre menschlichen Versuchskaninchen einen Fragebogen ausfüllen, mit dem ermittelt wurde, inwieweit die Probanden im täglichen Leben Kreatives leisteten. Danach folgte ein Test, der das kreative Denkvermögen jenseits des Tellerrands prüfen sollte. Während sie dann noch weitere Aufgaben lösen mussten, wurden die Studienteilnehmer im Folgenden einer Reihe von Pieptönen ausgesetzt. Dabei wurden ihre Gehirnaktivitäten gemessen – um zu überprüfen, inwieweit auch wirklich die neurophysiologische Antwort auftrat, die normalerweise etwa 50 Millisekunden nach einem akustischen Reiz im Gehirn erfolgen soll.

Bei der Auswertung aller Test stellte sich dann heraus, dass die kreativen Probanden deutlich sensibler auf die akustischen Reize reagiert hatten. Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass geräuschanfälligere Menschen auch gleichzeitiger kreativer sind, in Ideensessions mehr und besser hirnen. Offenbar sind sie es gewöhnt, ihre Aufmerksamkeit über mehrere Reiz-Quellen gleichzeitig erstrecken zu können. Sie nehmen also mehr auf und können nicht nur schneller und breiter assoziieren, sondern auch thematisch von einander entfernte Inhalte sehr gut zu Ideen oder Konzepten zusammenfügen.

Wer demnach vom echten Leben mit seinen krachenden Absätzen, ratternden Rollkoffern und streitenden Nachbarn nicht immer unangestrengt bleibt, kann sich ab sofort damit trösten, dass er oder sie höchstwahrscheinlich einen kreativen Geist besitzt.
Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, dass die Studie sehr klein war und Kreativität eine schwer messbare Größe ist. Deswegen könnte man auch über die Sinnhaftigkeit der Fragebögen diskutieren, nach denen die Studienteilnehmer – subjektiv –als „kreativ“ oder „weniger kreativ“ eingeteilt wurden. Wir nehmen das Ergebnis an dieser Stelle einfach mal so hin.

Das Phänomen gibt es übrigens auch in gesteigerter Form. Da heißt es „Misphonie“, wird als Hass auf Geräusche übersetzt und von dem amerikanischen Neurowissenschaftler-Paar Pawel und Margaret Jastreboff als „selektive Geräuschintoleranz“ beschrieben. Kurz gesagt: Die Betroffenen werden von bestimmten Geräusche regelrecht zum Ausflippen gebracht. In vielen Fällen ist die Sache therapierbar und in einem Internetforum las ich, dass Misphoniker oft eine überdurchschnittliche Auffassungsgabe haben – vielleicht liegt ja auch hier die Ursache in einem durchlässigeren Filter …

Auch die Nase beeinflusst uns beim Kreativsein und zwar so subtil, dass wir es in den meisten Fällen gar nicht merken. Gerüche gehen quasi direkt ins Gehirn, wo sie unmittelbar mit Emotionen und Erinnerungen verknüpft werden. Manch einer, wenn nicht sogar fast jeder von Ihnen, wird sich beispielsweise noch genau an den Geruch seiner Grundschule erinnern. Oder an einen Ort, wo man als Kind etwas Entscheidendes erlebt hat: Die schönen Momente, der Siegesjubel und die Auszeichnung, aber auch die weniger guten Sachen, wie Angstschweiß und die Hänselleien, die man vielleicht erlebte. Auch das Aftershave eines Exfreundes oder das Parfum einer unglücklichen Liebe können uns noch nach Jahrzehnten auf dem Bürgersteig, inmitten vieler Menschen, flüchtig streifen und schon sind wir für einen Moment ganz weit weg.
Wenn man bedenkt, dass Entspannung wahre Kreativ-Überflüge auslöst, kann man sich den Geruchsinn dahingehend zu Nutze machen, dass man sich mit einer Duftlampe in Schaffensstimmung bringt. Wem solche Wohnaccessoires zu esoterisch sind, der greift vielleicht einfach zur Apfelsine – und kriegt dann nicht nur über die Nase, sondern auch vom Vitamin C einen Kick. Angeblich hatte ja auch der gute alte Schiller in seine Schreibtisch einen vor sich hin gammelnden Apfel.
Je angenehmer Ihnen der Geruch ist, der Sie umgibt, desto besser. Eigentlich logisch. Für die Kreativität sollen Zimt und Vanille besonders geeignet sein, aber probieren Sie am besten einfach ein wenig herum. Achtung bei Lavendel – das entspannt nur in homöopathischen Dosen. Wer es übertreibt, erzielt einen gegenteiligen Effekt.
Wer in einem Team kreativ sein möchte, dem verrate ich noch ein inspirierendes Warm-Up mit Düften: Lassen Sie Ihre Mitarbeiter zum nächsten Meeting etwas mitbringen, was riecht – oder besser gesagt: duftet. Es sollte so verpackt sein, dass man daran schnuppern kann ohne zu sehen, was man da riecht. Pfeffer und anderer Schabernack sollte sich natürlich von selbst ausschließen, aber vorsichtshalber könnten Sie den Hinweis vielleicht geben. Die Kollegen dürfen sich im Vorwege nicht verraten, was sie eingepackt haben. Dann werden die Geruchsproben getauscht; keiner weiß also, was er im nächsten Moment riechen wird. Was folgt, ist eine Runde, in der jeder nacheinander eine Nase voll Geruch nimmt und beschreibt, was für Assoziationen, Gefühle und Bilder in ihm oder ihr aufkommen. Und lassen Sie Einwort-Antworten nicht gelten, sondern fragen Sie nach Farbassoziationen, Situationen, Emotionen und Geschichten. Nach so einer Übung haben Sie gute Voraussetzungen für einen Arbeitsprozess geschaffen, der sich über den üblichen Denk-Tellerrand bewegen können wird.

Zum Ende dieser Geschichte möchte ich noch auf einen anderen Sinn kommen, der für Schaffensvorgänge sehr wichtig ist: Das Sehen. Scott Barry Kaufman, Psychologe an der New York Universität, hat sich eine Zeit lang mit dem beschäftigt, was kreative Menschen anders machen, als weniger kreative. Eine seiner Erkenntnisse lag darin, dass innovative Menschen deutlich mehr beobachten, als andere. Seiner Meinung nach interessieren sie sich von Natur aus für das Leben und Tun anderer und kommen dabei auf die eine oder andere Idee für neue Werke. So war es wohl auch mit Walt Disney, der seiner Tochter beim Schaukeln zusah, als er plötzlich die Idee für Disneyland, einen Spielplatz für Kinder UND Erwachsene, bekam.

Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Inspiration beim Riechen und Sehen – und einen ruhigen Arbeitsplatz für Ihren akustischen Filter!

Kleider machen Kreative.

20.02.2017 // 17.33 Gerriet Danz

Wann sind Sie eigentlich das letzte Mal aus der Reihe getanzt? Oder sind Sie sowieso jemand, der aus Prinzip lieber mit, als gegen den Strom schwimmt? Und was bedeutet das überhaupt, einfach mal „anders“ zu sein? In jedem Fall hat es zur Folge, dass jemand, der sich von der Norm abhebt, auf kreativere Gedanken kommt, als der Mainstreamer. Das wiederum rührt daher, dass seine Fähigkeiten zum sogenannten „divergenten“, abweichendem Denken in der Regel deutlich mehr ausgeprägt sind. Es war der Persönlichkeits- und Intelligenzforscher Joy Paul Guilford, der den Begriff des divergenten Denkens fand und prägte. Er beschrieb es als eine offene, unsystematische und experimentierfreudige Art, sich einem Thema zu nähern. Das divergente Denken ist das Gegenteil zum konvergenten Denkvorgang, der eher als linear, gewöhnlich und streng rational-logisch beschrieben wird. Die beiden Denkstile können zwar nicht gleichzeitig ausgeführt werden, aber sich im idealen Kreativprozess durchaus ergänzen.
Nun aber zurück zur alltagstauglichen Art des Aus-der-Reihe-Tanzens: Es gibt diese unglaublich – um es nett auszudrücken – herausfordernden Menschen, die zum Beispiel durchdrungen sind von einer Fernsehserie, nehmen wir mal „Deutschland sucht den Superstar“. Sie reden wie Dieter Bohlen; sie zitieren ihn, sie kennen die Sieger der vergangenen 12 Staffeln (welcher dieser Sieger ist eigentlich wirklich ein Superstar geworden?) und sind mit der Sendung bei Facebook befreundet. Gibt’s wirklich, solche Leute. In echt. Und dennoch: Wenn sich so ein DSDS-Fan nun auch noch ein Poster mit Herrn Bohlen über den Schreibtisch hängt, kommt das seiner Kreativität absolut zugute.
Bedanken Sie sich für diese Erkenntnis bei Jens Förster, Ronald S. Friedman, Eva B. Butterbach und Kai Sassenberg: Die vier Wissenschaftler belegten mit mehreren Experimenten, dass abweichendes Verhalten zu einem Anstieg der Kreativität bei den Teilnehmenden ihrer Studien führte. Sie teilten ihre Probanden in zwei Gruppen ein; mit Gruppe 1 wurde ein kurzes Gespräch über den Begriff „Punk“ geführt, Gruppe 2 sprach über einen Ingenieur. Danach wurden beide Gruppen zum Test gebeten. Gefordert waren kreative, aber auch analytische Lösungsansätze – und siehe da: Die Punk-Probanden gaben zwar eindeutig kreativere Dinge von sich, aber schnitten analytisch schlechter ab als die Ingenieur-Gruppe! Das bedeutet, man kann sich nicht nur kreativ tunen, sondern mit relativ einfachen Mitteln auch dem analytischen Denken auf die Sprünge helfen. Das merke ich mir für die nächste Inkarnation.
Kunstwerke, im engeren und weiteren Sinne, haben den gleichen Effekt. Daher die Auswirkungen von Bildnissen, die wir kreativ oder andersartig bewerten – deswegen tut der DSDS-Freund seiner Kreativität auch mit einem Poster über dem Schreibtisch etwas Gutes.
Wer auf seinem Arbeitsplatz kreativ sein muss, sollte sich mit Inspirativem umgeben….und schon findet der eine oder andere nun vielleicht endlich einen Platz auf seinem Schreibtisch – für das getöpferte Weihnachtsgeschenk seines Patenkindes.

Und auch unser Kleidungsstil hat Einfluss auf unsere Kreativität; getreu dem Motto: Kleider machen Leute – stärker noch: Kleider machen Kreative und Ideen. Was tragen Sie eigentlich, wenn Sie arbeiten? Und was würden Sie tragen, wenn Sie es sich aussuchen könnten? Ist in Ihrem Unternehmen erlaubt, was gefällt oder gibt es eine Kleiderordnung? Es gibt Firmen, in denen jeden Tag casual angesagt ist. Übrigens ist das einer der nicht ganz unbedeutenden Unterschiede zwischen der Kultur im Silicon Valley, der Brutstätte internationaler Innovationen, und dem häufigen Must-Dress in Europa: Drüben der legere Hipster Schlabber-Look (auch Steve Jobs kam in Schlappen zur Arbeit) und hierzulande dagegen oftmals steife Krägen, Würge-Krawatten und zwickende Anzüge. Dabei fanden Forscher heraus, dass eine gewisse Bewegungsfreiheit auch unseren Gedanken eher Flügel verleiht. Das hat mittlerweile auch Daimler verstanden – Krawatten sind out in Stuttgart. Ähnlich lief’s bei Bosch. Doch halt, Finger weg vom Altkleidercontainer und erst die ganze Geschichte zu Ende lesen!

Es gibt eben auch Menschen, die sich wohl fühlen in formeller, klassischer Garderobe – und die beim Lesen der letzten Zeilen vielleicht immer unruhiger wurden. Sie können sich entspannen, auch für Sie und Ihre Kreativität hat die Wissenschaft Beruhigendes herausgefunden: Eine Studie der Columbia University und der California State University in Northbridge ergab, dass Kleidung einen großen Einfluss auf das menschliche Denken hat. Und formalere Kleidung führe dazu, dass man Arbeitsabläufe abstrakter angehe. Jemand, der förmlich gekleidet ist, tendiere den Forschern zu Folge dazu, eher im Gesamtzusammenhang zu denken und weniger auf Details zu achten.
Das belegen zumindest die Ergebnisse der Tests, die Michael Slepian und seine Kollegen durchführten: Zunächst wurden die Probanden gebeten, einzuschätzen wie formell die Kleidung war, die sie gerade trugen. Danach forderte man sie auf, sich etwas anzuziehen, was sie bei einem Bewerbungsgespräch tragen würden. Es zeigte sich, dass diejenigen mit der formelleren Kleidung eine umfassendere, ganzheitlichere Denkweise an den Tag legten, als die legerer Angezogenen. Was war passiert? Angeblich bewirkt der formelle Zwirn, dass man sich mächtiger fühlt. Und das wiederum führt dazu, dass man sich überhaupt traut, abstrakter zu denken. Nicht von ungefähr heißt es wohl auch, der Anzug sei ein Symbol der Macht.
Es sei aber auch wichtig, so betonten die Wissenschaftler, dass sich die Menschen in ihrer formellen Kleidung wohl fühlten und fänden, dass sie gut aussehen.

Ich halte einmal fest, dass es offenbar für fast jede Art von Aufzug gute Argumente gibt und dass es das Wichtigste ist, dass man sich wohlfühlt in seiner Haut und mit dem, was man darüber trägt: Für die einen ist es eben mehr casual und für die anderen Stock und Hut.

Für Mitarbeiter, die sich gern lässiger kleiden würden, aber in Unternehmen arbeiten, in denen Kleidungsvorschriften im Sinne von Anzugspflicht mit optionaler Krawattenmöglichkeit gelten, dürfte die Einführung eines Casual-Friday ein Lichtblick sein – und zwar nicht nur, weil dann fast Wochenende ist.

Lassen Sie uns zum Schluss einen Schritt zurück setzen; und zwar gedanklich direkt vor Ihren Kleiderschrank: Wer oder wie entscheidet sich überhaupt, was man morgens anzieht, wenn einen KEINE Kleiderordnung zu irgendetwas zwingt? Maßgeblich bestimmt das oft die jeweilige Laune, die Ihnen vom Tag mit auf den Weg zur Dusche gegeben wurde! Und wie so oft im Leben gilt auch hier: Innen wie außen und außen wie innen. Das bedeutet: Was wir tragen, beeinflusst auch unsere Stimmung und damit auch unsere Arbeit. Das wiederum heißt: Wer sich in Sack und Asche hüllt, weil er mies wachgeworden ist, nimmt sich eventuell die Chance, dass der Rest des Tages doch noch besser wird.

Und bevor ich nun weitermache, tausche ich den Pyjama mal gegen Shirt und Jeans – irgenwie werde ich immer müder;-)

Falten, Neugier und Grimassen

20.02.2017 // 17.19 Gerriet Danz

Denken Sie doch einmal an jemanden, den Sie für kreativ halten. Was für Hobbys hat diese Person? Wofür interessiert sie sich? Und gab es irgendwelche interessanten Stationen auf dem beruflichen und/oder privaten Werdegang dieses Menschen? Und warum sollten Sie sich überhaupt die Mühe machen? Nun, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Ihnen auffällt, dass findungsreiche Geister in den allermeisten Fällen auf einen großen Erfahrungsschatz blicken können, sich andauernd irgendwelchen neuen Herausforderungen stellen, häufig ungewöhnliche Hobbys haben und grundsätzlich für inspirierende Themen offenstehen.
Hierzu ein Beispiel aus dem echten Leben: Marius, einer meiner engsten Freunde, ist freier Grafiker. Auf seinem selbstgemachten Stundenplan sind ständig irgendwelche Unternehmungen zu finden, die ihn quasi von hinten durch die Brust ins Auge inspirieren. Mal geht er in eine Kunstausstellung; ein anderes Mal trifft man ihn auf einem Vortrag der Kinderuni zum Thema „Warum gibt es eigentlich Geld?“. Neulich begegnete ich ihm in einem Café, in dem er ein Buch las, das sich um Baumbeschneidung und –Veredelung drehte. Und nein, der Mann hat keinen Garten. Egal, um welches Thema es geht, ich kann mir einfach sicher sein, von Marius grundsätzlich die absonderlichsten und komischten Artikel und YouTube-Videos zugeschickt zu bekommen.
Und auch die Wissenschaft gibt Marius Recht. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die belegen, dass Menschen kreativer denken können, wenn sie sich vor dem Lösen einer kreativen Aufgabe, mit etwas ganz anderem beschäftigen. In diesem Fall ist also die Henne nicht vor dem Ei da. Will sagen, dass man sich erst bis zu einem gewissen Maße kreativ gemacht haben muss, bevor man sich für alle möglichen Inspirationen öffnet. Nein, im Gegenteil: Fangen Sie heute einfach mit irgendetwas an, was Sie sonst links liegen ließen und Sie werden selbst merken, dass es Ihnen hilft, auf andere Ideen zu kommen.

Diese Erkenntnis macht sich Hallmark seit Jahren zu Nutzen. Seit über 100 Jahren entwirft und produziert das internationale Unternehmen, haptisch und inzwischen natürlich auch virtuell, Grußkarten. Da ist Inspiration für die Texter, Designer, Editoren, usw. natürlich wie Kraftstoff für Motoren; schließlich sollen hier weiterhin pro Jahr etwa 15.000 neue Ideen zu Karten werden. Und genau deswegen setzt das Unternehmen darauf, dass weitgestreute Informationen das kreatives Schaffen anregen: Jedes Jahr findet im Hauptfirmensitz in Kansas City die sogenannte Hallmark Convention statt, zu der jedes Mal mehr als 50 illustre Referenten gebeten werden. Zu den Gästen gehörten unter anderem schon der Gründer vom Cirque De Soleil Guy Laliberté oder auch Guy Kawasaki, Autor, Unternehmer und Risikokapitalgeber, ehemaliger Psychologiestudent an der Stanford Universität und der Mann, der Mitte der 1980er Jahre für die Vermarktung bei Apple zuständig war. Je diverser der Input, desto vielfältiger die Inspiration.

Richard Friedman und seine Kollegen von der Universität Maryland griffen den Ansatz der fortwährenden Stimuli auf, forschten aber noch weiter. Dabei fanden Sie heraus, dass obendrein auch unsere Mimik beim Entdecken von Neuigkeiten und Kennenlernen neuer Zusammenhänge eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von Kreativität spielt. Wie das? Die Forscher baten eine Gruppe von Probanden, für einige Minuten ihre Augenbrauen anzuheben und eine andere Gruppe, auf Teufel-komm-raus, die Stirn zu runzeln. Im Anschluss wurden die Untersuchungsteilnehmer angewiesen mit „ihrem“ trainierten Gesichtsausdruck eine Aufgabe zu lösen und das möglichst kreativ. Die Hypothese von Friedman lautete, dass ein körperliches Öffnen des Gesichtes (in Form von gehobenen Augenbrauen) zu innovativeren Denkleistungen führen könnte als ein Zusammenziehen, also Runzeln, des Gesichtsausdrucks. Er hatte Recht: Die Augenbrauenheber produzierten nicht nur quantitativ mehr Lösungen, sie waren dabei auch noch signifikant origineller als die Runzelmimen. Was das für die chinesischen Faltenhunde dieser Welt bedeutet, darf sich nun jeder selbst gern zusammenreimen …Wenn Sie also das nächste Mal kreativ sein wollen: Augenbrauen hoch! Und falls Sie es in einem Team sein müssen, haben Sie gleich einen herrlichen Auftakt für einen kurzweilige Gruppenanimation: „… und jetzt alle!“

Apropos „kleiner Tipp, große Wirkung“: Da fällt mir doch noch die Sache mit den detaillierten Briefings ein, die ich unbedingt einmal erwähnen wollte! Je mehr Aufgaben-Details nämlich jemand „aufgebrummt“ bekommt, desto weniger kann er oder sie sich nämlich kreativ entfalten. Wer möchte, dass Mitarbeiter kreativ arbeiten, sollte auf Schritt-für-Schritt-Anweisungen verzichten und ihnen genug Vertrauen entgegenbringen, dass sie schon einen Weg finden werden und sich wieder melden, wenn Fragen auftauchen. Kreativ-tödlich sind Briefings oder Listen von Vorgesetzten, in denen genau steht, was genau, wofür gebraucht wird. Und womöglich auch noch, auf welche Weise die Aufgaben umgesetzt werden sollen. So können eventuell schnellstmöglich Supermarktregalbefüllungsanweisungen geregelt, aber eben keine Aufwinde für kreative Höhenflüge produziert werden.
Natürlich kann es manchmal verlockend sein, sich in Details zu ergehen – es ist schließlich eine Art, die Kontrolle über alles zu behalten und potentiell auftauchende Probleme im Auge zu behalten. Wer nur den Anweisungen folgt kann ja nichts falsch machen. Nur leider eben auch nichts Überraschendes. Keine Autonomie, keine Kreativität, keine Innovation, keine Zukunftstauglichkeit.
Also lieber die Basics einer Aufgabe kommunizieren und darauf vertrauen, dass die Freiheit, die man den Mitarbeitern durch wenige Vorgaben einräumt, ihrer Kreativität Flügel verleihen wird.
Und wer dann noch das „Schöner Scheitern“ in seinem Unternehmen etabliert und lebt, macht schon sehr vieles richtig. Was das wieder ist, finden Sie in einem anderen Artikel und auf www.gerrietdanz.com

Ich möchte diese Geschichte mit einem Zitat von Grace Hopper beenden, das im Grunde unter jeder meiner Geschichten stehen könnte. Hopper hat für ihre Leistungen mehr als 40 Ehrendoktorwürden bekommen, den Ur-Computer Mark 1 programmiert, das erste Benutzerhandbuch geschrieben, den ersten Computer namens A-O zusammengebaut, die Programmiersprache Flow-Matic erfunden und wurden weltberühmt, weil sie COBOL entwickelte (Common Business Oriented Language) – sorry, ich wollte Bandwurmsätze vermeiden, aber manchmal geht es eben nicht anders. Sie musste 80 Jahre alt werden, bevor sie ihren Ruhestand akzeptierte, und sie riet jedem: „Wenn es eine gute Idee ist, dann mach es einfach. Es ist viel einfacher, sich nachher zu entschuldigen, als vorher die Genehmigung zu bekommen.“

In diesem Sinne schon mal sorry – und bleiben Sie innovativ!

Je kontroverser, desto innovativer

20.02.2017 // 17.00 Gerriet Danz

Viele von uns sind in ihrem Leben bereits Opfer von Herdendenken geworden. Wer schon seit Jahren im gleichen Team denkt und arbeitet, dem passiert es fast unweigerlich: Wie viele alte Paare, hat man sich aufeinander eingespielt, und so werden die Ergebnisse der Aufgabenstellungen einander immer ähnlicher. Im Grunde kann man sich schon von vornherein darauf einstellen, was am Ende herauskommen wird. Ein wenig überraschendes Set von mehr oder weniger Standard-Lösungen, Strategien und Ansätzen. Die Gründe dafür sind übrigens nicht unbedingt immer in der wirklichen Homogenität der Geister zu finden. Viel häufiger liegt die Ursache darin, dass man gelernt hat, dass die Position des Zweifels, beziehungsweise des anders Denkenden nicht die bequemste ist. Nicht selten sind in der Geschichte Katastrophen passiert, weil sich niemand getraut hat, im entscheidenden Moment eine andere Meinung zu haben als die, die man gerade für die allgemein gängige hielt. Es gibt eine Theorie aus dem Jahre 2007 von einem Herrn Kunz. Sie geht davon aus, dass auf diese Weise auch die Entscheidung der Bush-Regierung für den Krieg gegen den Irak zustande kam.

Es geht aber auch weniger dramatisch und passiert tagtäglich in Unternehmen, die verschiedene Kunden mit ähnlichen Bedürfnissen haben. Hier kann man das Phänomen “Herdendenken” oft sehr gut beobachten. Denken wir beispielsweise an eine Firma, die mit Lebensmitteln handelt und unterschiedliche Supermärkte als Abnehmer hat, die wiederum von Zeit zu Zeit Kampagnen veranstalten. Ziel einer jeder Aktion ist es natürlich, dass Kunden aufmerksam werden und bestenfalls die beworbenen Produkte kaufen. Und in den allermeisten Fällen wird dazu immer zu denselben Mitteln gegriffen: Anzeigen in Beilagen der Lokalpresse, manchmal sogar Fernsehwerbung und – sehr klassisch – Werbetafeln vor Ort im Supermarkt. Manchmal, total „kreativ“, gibt es gar einen Pappaufsteller oder einen sogenannten „Wobbler“ (das sind diese Dinger aus Papier oder Plastik, die einem aus den Regalen entgegenhängen und einem sagen, was an dem Produkt, vor dem sie rumwobbeln eigentlich so toll ist, dass man es kaufen soll). Immer dieselben Teams ergreifen immer dieselben Maßnahmen. Kennen Sie den Werbespot der Sparkassen, in dem der CEO einer 08/15-Bank nach langer Sitzung endliche die Entscheidung für bunte Werbefähnchen fällt? Ging früher, geht auch heute. Dieser Denke verdanken wir übrigens auch die endlosen und einschläfernden Powerpointpräsentationen, mit denen branchenübergreifend tagtäglich Millionen von Menschen masakriert werden, anstatt dass mal etwas anders gemacht wird, was das Publikum nicht in kürzester Zeit schlaff werden lässt – aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Zurück zum Herdendenken: Untersuchungen haben gezeigt, dass sich in Teams, die eine Zeit lang zusammenarbeiten, bestimmte Herangehensweisen ausprägen. Es entwickeln sich sichere Denk- und Verhaltensmuster. Nicht unbedingt ein Beschleuniger, wenn es darum geht, innovativer zu werden und neue Ideen auf den Weg zu bringen. Die gute Nachricht lautet: Man kann die Denkroutine ganz einfach aufbrechen. Es genügt, zum Beispiel, der Gruppe ein neues Gesicht zu zuführen. Diese neue Person verleitet jedes einzelne Gruppenmitglied dazu, neue Gedanken, Ideen und Verhaltensweisen zu entwickeln.
So verführerisch der Gedanke erscheinen mag, harmonische Arbeitsgruppen bestehen zu lassen, so eindeutig belegen die Studienergebnisse von Hoon-Seok Choi und Leigh Thompson von der Kellogg School of Management der Northwestern University in den USA, einen eindeutig negativen Einfluss auf jeglichen innovativ-kreativen Output solcher Teams. Stattdessen sollten Mitarbeiter alle sechs bis acht Monate zu neuen Arbeitsgemeinschaften zusammengewürfelt werden. Eine andere Möglichkeit, für frisches Gedankengut zu sorgen, ist das Einladen von Leuten zum Austausch, die gar nicht zum Unternehmen gehören, vielleicht sogar vollkommen branchenfremd sind – ein Garant für variationsreiche Ideen. Wer selbst darüber entscheidet, mit wem er wann zusammenarbeitet, sollte versuchen, sich mal bewusst mit branchenfremden Menschen auszutauschen. Und dann heißt es: Gut zuhören und offen sein für ganz neue Denkansätze und Wege, die man gemeinsam beschreiten kann.

Die Lieblingsgruppenkonstellation der Kreativität ist und bleibt ein Team, dessen Mitglieder möglichst unterschiedlicher Meinung sind. Vorausgesetzt, dieser Dissens kann offen und ehrlich geäußert und diskutiert werden. Hier muss man aufpassen, dass es nicht zu sehr menschelt: In der Regel suchen wir nach Harmonie. Konsens wird als stimmig und angenehm empfunden, Uneinigkeit (privat wie beruflich) dagegen eher als störend und nicht förderlich erlebt. Stärker sogar: Äußert ein Mitmensch eine von der eigenen Meinung abweichende Überzeugung, neigen wir automatisch dazu, den Kontakt zu ihm zu vermeiden und ihm eventuell vorher entgegengebrachte Sympathiepunkte umgehend wieder abzuziehen.
Eine Reihe von Studien aber zeigt, wie offen kommunizierte Uneinigkeit unter den Mitgliedern einer Gruppe oder eines Teams zu kreativen Lösungen und Innovationen führt. Petty, Fleming, Priester & Feinstein erklären, was passiert, wenn jemand eine abweichende Meinung äußert: Wir sind überrascht. Und diese Überraschung mobilisiert unsere Aufmerksamkeit; wir versuchen der Sache auf den Grund zu gehen. Eventuell fragen wir uns, warum die Person eine falsche Überzeugung hat. Vielleicht überdenken wir bisweilen noch einmal unsere eigene Meinung. Kommt es mitunter dann sogar in Frage, dass wir beide irren? Die Uneinigkeit hat zur Folge, dass wir genauer über eine Problemstellung nachdenken und sie intensiver in der Gruppe diskutieren, als wenn alle von Anfang an einig sind.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der auf Kreativität und Innovationskraft eines Teams großen Einfluss hat und eng mit den vorangegangenen Beispielen verwandt ist: Jack Goncalo von der Universität of California in Berkely, fand heraus, dass homogen-harmonische Arbeitsgruppen mit Ultra-Teamspirit weniger kreativ sind, als Teams, die den Beitrag jedes Einzelnen lobten.
Zum Schluss noch ein paar Tipps für das „echte Leben“: Wenn Sie in einem Team arbeiten, ermutigen Sie Ihre Mitstreiter, zu überlegen worin genau ihr persönlicher Beitrag zum Gelingen einer erfolgreich gelösten Aufgabe/eines Projektes oder einer Ideenentwicklung bestand. Das lässt sich auch noch hervorragend im Nachhinein machen. Sie sorgen so dafür, dass sich die Teammitglieder auch zukünftig mehr für Meinungen und Ansätze anderer öffnen. Und das wiederum macht alle kreativer. Und wenn Sie jemand sind, der einem Team Feedback geben muss, achten Sie einfach darauf, dass Sie Einzelleistungen hervorheben und zwar möglichst unterschiedliche und am besten für jeden Einzelnen der Gruppe. (So) bleiben Sie innovativ! Oder werden innovativer!

Capital – Redaktion ohne Chef?

10.10.2016 // 10.58 Gerriet Danz

Dass zu viel Kontrolle, zu viele Chefs, zu viel Buckeln nach oben und Treten nach unten zu schlechten Ergebnissen führt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Und es ist auch längst wissenschaftlich erwiesen. Übrigens wird’s dann auch schwer mit dem Wunsch nach Innovation – die stellen sich nämlich deutlich mehr ein, wenn Menschen frei denken können und selbstverantwortlich arbeiten. Das Capital-Team hat in der Titelgeschichte der Oktober-Ausgabe 2016 sechs innovative Konzepte unter die Lupe genommen, die verschiedene Unternehmen vor einiger Zeit für ihren Firmenalltag ausriefen. Und gleich auch den Selbstversuch gestartet:

• W.L. Gore & Association ließ für die Besetzung des Chefpostens die Mitarbeiter abstimmen, und macht das übrigens schon seit Jahrzehnten. Kann ein Unternehmen ohne Hierarchien langfristig und effektiv wirtschaften? Und stärkt ein hohes Maß an Eigenverantwortung die Motivation des Einzelnen oder ist es eher belastend, so viel Verantwortung tragen zu müssen?

• T-Mobile Niederlande hat sämtliche Arbeitsprozesse auf ein Netzwerkmodell umgestellt, in dem sich die Belegschaft durch eine Software gesteuert selbst organisieren. Nach Abschluss von Projekten, bewerten die Kollegen ihre Leistungen gegenseitig. Welchen Effekt haben eigenständige Organisation und freie Entscheidungsgewalt auf die Mitarbeiter? Und wie reagieren die Kunden?

• Der Online-Schuhhändler Zappos – nicht zu verwechseln mit Zalando – schaffte nicht nur alle Titel und Hierarchien ab, sondern führte auch eine neue Art von Kundenservice ein: Im Callcenter wird mit Anrufern über alles gesprochen, vollkommen unabhängig von den Produkten des Unternehmens.
Funktioniert eine Firma ohne Anweisungen von oben? Wer hilft den Mitarbeitern, wenn sie einmal nicht weiterkommen?

• Der Chef von Gravity Payments – einer Firma, die Zahlungen von Kreditkarten abwickel – zahlt allen Angestellten ein Jahresgehalt von 70 000 Dollar, damit niemand mehr durch finanzielle Sorgen von der Arbeit abgelenkt würde. Ist das wirklich so fair, wie der Gründer des Unternehmens es meint? Motiviert ein üppiger Lohn die Mitarbeiter wirklich oder verunsichert er sie eher?

• Der Hedgefond Bridgewater Associates setzt auf totale Transparenz. Alle Meetings und Gespräche werden aufgezeichnet und sind für jeden, jeder Zeit abrufbar. Der Gründer des Unternehmens fordert von seinen Mitarbeitern radikale Ehrlichkeit. Ist so ein Konzept für jeden gleich tragbar?
Und was passiert mit Menschen, die Probleme haben, Kritik zu äußern oder konstruktiv mit ihr umzugehen?

Welche der innovativen Maßnahmen, die aus dem Silicon Valley auch immer mehr Einzug in die hiesige Unternehmenskultur halten, ist am Ende wirklich lebbar? Flache bis keine Hierarchien, Vertrauensarbeitszeit, Leistungs- und Positionsunabhängiges Gehalt – kann das funktionieren? Und wenn ja, wo und wie lange?

Die Redaktion der Zeitschrift “Capital” wagte den Selbstversuch: Die Chefredaktion enthob sich für die Dauer der Fertigstellung der Oktober-Ausgabe ihres Amtes, übertrug der Belegschaft die volle Verantwortung für das Heft und erklärte, dass Homeoffice und dergleichen ab Kick-Off-Meeting keinerlei Absprachen mehr bedurften. Gesagt und tun lassen – danach fuhr Chefredakteur Horst von Buttlar konsequenter Weise selbst erst einmal zwei Wochen lang in den Urlaub.

Das Fazit des Capital-Teams lässt schmunzeln: „Ohne Chef geht es auch. Aber er darf seine Arbeit nun gern wieder selbst machen.“ Wie die „kopflose“ Reaktion die 4 ½ Wochen „oben ohne“ erlebte, schildert sie kurzweilig in ihrer Oktoberausgabe.

Und wie erging es dem Interims-a.D.-Chefredakteur Horst von Buttlar? Wir hatten in einem exklusiven Gespräch Gelegenheit mit ihm darüber zu reden.

Nach seinen Erfahrungen mit dem Experiment gefragt, entfährt ihm ein erleichtert klingendes:

„Ich bin wirklich froh, wieder mitmachen zu dürfen!”

Was ihn während seines Urlaubs nachvollziehbarer nicht heimsuchte, dafür aber in den zweieinhalb Wochen nach seiner Rückkehr umso mehr, war das Gefühl vom Tiger im Käfig.

„Ich tigerte in meinem Büro auf und ab und lauerte auf irgendeine Aufgabe, die vielleicht für mich abfallen könnte. Das ist echt schwer für jemanden, der es liebt, in die Prozesse – mehr oder weniger in alle – eingebunden zu sein, Entscheidungen zu fällen und dadurch die eine oder andere Gesprächsrunde zu ersetzen oder mindestens abzukürzen.“

Dass es ohne ihn viel mehr Meetings und Abstimmungen gab und lange Diskussionen, scheint den sympathischen Journalisten mit ein wenig Genugtuung zu erfüllen. Dennoch hat er beschlossen, den lebendigen Austausch, der sich in seinem Team während der selbstverordneten Chefredaktions-Eremitage einstellte, weiterhin zu fördern und aufrechtzuerhalten. Und auch, dass die meisten Mitarbeiter durch die neuen Spielregeln regelrecht aufblühten und sich immer mehr in die Prozesse involvierten, lässt von Buttlar das Experiment als gelungen erklären. Seiner Meinung nach, sind 4 ½ Woche nicht wirklich eine Zeitspanne, über die sich eine langfristig gültige Aussage treffen ließe, ob die ohnehin flache Hierarchie bei der Capital durch ein anderes Modell ersetzt werden sollte. Für Außenstehende klingt es jedenfalls so, als ob alle Teile der Redaktion froh waren, einander (wieder) zu haben. Weitere Infos zur aktuellen Ausgabe gibt es hier!
(Das Gespräch mit Horst von Buttlar führte Anika von Keiser.)

Wie Corporate Creativity erfolgreich wird.

23.06.2016 // 04.51 Gerriet Danz

CI, die Corporate Identity ist wohl längst ein gängiger Begriff. Es bezeichnet das wiedererkennbar Äußere einer Marke. Und auch Ausdrücke wie Corporate Governance oder Corporate Affairs kann man herleiten: Ersteres bezeichnet laut Web-Definition „den Ordnungsrahmen für Leitung und Überwachung von Unternehmen“. Corporate Affairs sind zunächst einmal, alle Unternehmensangelegenheiten und im Besonderen dann noch einmal die Abteilungen eines Unternehmens, die sich mit der Image-Bildung beschäftigen. Herrlich, „Facility Management“ klingt ja auch besser als „Raumpflege“. Und alles, was ein „Corporate“ enthält bekommt schon mal eindeutig einen guten Klang und mehr Gewicht. Darum soll es in diesem Artikel aber gar nicht gehen. Vielmehr soll er von dem Begriff Corporate Creativity handeln und einer engen Verwandten, nämlich der Innovationskultur. Aber was ist Corporate Creativity eigentlich? Sie ist ein Aspekt der Unternehmensführung, der sich damit beschäftigt alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen und Voraussetzungen zu schaffen, die das kreative Potential einer Firma vergrößern. Letztlich wird so Innovationskraft mobilisiert. Ziel ist es, das ganze Unternehmen perspektivisch wirtschaftlich zu stärken und zukunftstauglich zu halten. Wer nicht aussterben will, sollte sich weiterentwickeln und im besten Fall sogar seiner Zeit immer ein kleines bisschen voraussein. Denken Sie an die Nicht-Strategie der Dinosaurier – und machen Sie es am besten anders.

Laut einer Studie von IBM aus dem Jahr 2010 hielten schon „damals“ knappe 80 Prozent der befragten Führungskräfte Kreativität eindeutig für den größten bestimmenden Faktor, wenn ein Unternehmen langfristig erfolgreich bleiben soll. Wie sie diese Kreativität aber in ihren Firmen, also bei ihren Mitarbeitern, generieren sollten – davon hatten sie keine Ahnung. Passend dazu bescheinigte Alan G. Robinson von der University of Massachusetts tatsächlich ein massives Wissensdefizit auf Managementebene, wenn es um das Fördern und Fordern von Kreativität geht. Sie wollen alle, aber können?

Bevor ich zu dazu komme, wie Sie selbst effektiv kreativitätsfördernde Maßnahmen ergreifen können, möchte ich noch ein Lob an die Handelshochschule Leipzig loswerden, die seit Ende 2007 tatsächlich das Lehrgebiet Corporate Creativity im Rahmen des MBA-Curriculums eingeführt hat. Hier wird also von vornherein gelehrt und gelernt, wie Führungskräfte dabei unterstützt werden können, eine kreative Unternehmenskultur zu entwickeln und zu etablieren.

Kreativität ist, wie schon in anderen Artikeln hinlänglich erörtert, nicht nur wenigen Ausnahmetalenten oder vom Schicksal Beschenkten vorbehalten, sondern eine Fähigkeit, die eigentlich jeder Mensch entwickeln kann. Ganz gleichgültig, wie analytisch-strategisch jemand von Haus aus auch sein möge. Wir alle können kreativ sein. Es braucht allerdings eine Arbeitsumgebung und noch ein paar andere Voraussetzungen, die inspirierend und stimulierend auf Kreativprozesse wirken. Fangen wir mal ganz vorne an: 2012 meinte Catherine Courage, Senior Vice Präsident bei Citrix in Ihrem ihrem TEDx Kyoto Talk, dass Kreativität als Gabe zwar jedem zur Verfügung steht, aber nur von verhältnismäßig wenigen in Anspruch genommen würde. Hätte man erst einmal eingesehen, dass man kreativ ist, könnte man sich auch besser darauf konzentrieren, seine Kreativität zu entwickeln.

Schon Pablo Picasso sagte, dass jedes Kind kreativ sei. Das Problem bestünde nur darin, es auch zu bleiben, während man erwachsen wird. Kinder sind von Natur aus neugierig. Wer selbst welche hat, kennt das Loch im Bauch, das Kinderfragen einem häufig bescheren. Wussten Sie, dass ein Grundschüler im Durchschnitt 100 Fragen am Tag stellt? Diese inquisitorischen Fähigkeiten können einen – zugegeben – schon mal an den Rand des Wahnsinns treiben. Dazu eine nette Geschichte, die ich neulich im Supermarkt belauschte: Kind feuert Maschinengewehrartige Frage-Salven auf seine Mutter ab und stellt auch die Antworten sofort wieder in Frage. Die Mutter, schließlich auch auf das Einkaufen und die Kommunikation mit der Fleischwarenfachkraft konzentriert, beschränkt sich irgendwann auf die Antwort: „Isso.“ Worauf die Nachzucht weiterfragt: „Und ist „isso“ jetzt wieder die Abkürzung für „Ich schrei’ sonst“? Süß, die Kleinen! Aber das nur nebenbei. Die eigentliche Frage ist doch, wie viele Fragen stellen Sie im Arbeitsalltag? Oder wie viele stellt man Ihnen? Und wie denken Sie eigentlich über Mitarbeiter und Kollegen, die viel fragen? Bleiben Sie neugierig und freuen Sie sich einfach über Menschen, die Sie hinterfragen (auch, wenn sie nerven).

Zurück in die Vergangenheit und dem, was wir heute aus ihr ziehen können, um unsere Kreativität in Schwung zu bringen. Wir müssen anfangen, die Möglichkeiten zu entdecken und den Status Quo herauszufordern. So, wie Eltern die Ideen und Fantasien ihrer Kinder unterstützen, können wir unseren Arbeitsplatz so gestalten, dass er eine gute Voraussetzung ist – für alles, was wir (er)schaffen wollen. Zunächst sollte die Umgebung inspirierend sein. Sehen Sie sich einmal an ihrem Arbeitsplatz um! Wie sieht es dort aus? In den meisten Fällen leider trist (und nein, ein 15 Jahre alter Ficus Benjamini zählt nicht als Inspirationsquelle). Wie sah es dagegen im Kindergarten aus? Genau, es gab eine Vielzahl von Möglichkeiten: Puppenecke, Lesekreis, Puzzles, Knetgummi, vielleicht sogar eine Küchenzeile, die zum Spielen benutzt werden konnte. Eine Tafel? Stifte und Papier auf jeden Fall. Tuschsachen. Vielleicht konnten Sie sogar rausgehen und auf Bäume klettern, wenn Ihnen danach war. Es war auf jeden Fall ein heller, bunter Raum voll Möglichkeiten und Energie, der Sie damals umgab.
Zum Glück begreifen immer mehr Unternehmen die Relevanz der Arbeitsumgebung und gehen dazu über, ihre Räume kreativitätsfördernd zu gestalten. Ein schönes Beispiel findet sich im Google-Quartier in Zürich: Hier befördert eine Rutsche die Mitarbeiter in die Kantine. Die Arbeitsumgebung schafft die Basis für das Entstehen von Kreativität.

Experimentieren Sie und probieren Sie mal etwas Neues aus! Wer ständig Dinge wie Effizienz und definierte Prozesse im Kopf hat, kann nicht frei genug sein, um kreativ zu werden! Stattdessen macht sich Angst vorm Scheitern breit. Und jeder macht wieder alles so, wie er es schon tausend Male gemacht hat. Dabei können keine Innovationen herauskommen. Es gibt in den meisten Fällen nicht nur den einen richtigen Weg, etwas zu erledigen, sondern unzählige Möglichkeiten. Und wenn mal etwas daneben geht? Dann ist es einfach ein Teil des Schaffens und nicht weiter schlimm. Erinnern Sie sich bitte noch einmal an Ihre Kindheit, in der Sie ganz bestimmt Dinge ausprobierten und es immer wieder in Kauf nahmen, auch mal zu scheitern. Diese Haltung gilt es, zurückzubekommen. Zur Motivation gleich noch ein paar Erfolgsgeschichten zum Thema „Scheitern“: In den 1930er Jahren versuchte die Firma Beiersdorf in Hamburg, einen hautverträglichen Klebstoff für Pflaster zu entwickeln. Der Kleber geriet leider zu fest und so entschloss man sich kurzerhand, aus der Masse Gewebeband herzustellen. Als Trägermaterial hatte man wohl gerade Zellophan zur Hand – und so entstand der Klebestreifen, den man heute auch oft mit dem Markennamen „Tesa“ nennt. Die Geschichte vom Post-It ist übrigens ganz ähnlich. Da lag der Kleber, den man rückstandslos wieder entfernen konnte, bloß erst einmal knapp 10 Jahre im Schrank, bis irgendjemand darauf kam, dann man damit das Problem der umherfliegenden Lesezeichen in den Griff kriegen könnte (wenn er sonst schon zu nichts taugte). Zu guter Letzt noch eine Scheiter-Geschichte, der manche von uns sogar ihr Leben verdanken: Alexander Flemming, seines Zeichen Bakteriologe aus Schottland, vergaß im Sommer 1928 seine Proben im Labor. Pilzsporen setzten sich auf die Bakterienkultur und sie verschimmelte. Bei seiner Rückkehr entdeckte der Forscher, dass der Schimmel die Bakterien vernichtet hatte. Und aus diesem Stoff, der so eindrucksvoll wie unaufgeregt seine antibakterielle Wirkung gezeigt hatte, entwickelten Flemmings Kollegen das Penicillin.

Ein guter Weg, etwas zu testen, auszuprobieren und gegebenenfalls zu verbessern sind Prototypen, die man Testkunden, also Versuchskaninchen zum ausprobieren gibt. Und wenn sie nicht funktionieren oder sich als überflüssig oder gar nutzlos erweisen? Dann schmeißt man sie eben weg. Oder lässt sie in einer Schublade schmoren, bis die Zeit vielleicht doch noch reif wird. Und bitte werfen Sie Ihren urdeutschen Anspruch an Perfektion über Bord! Ein Prototyp ist keine ausgeklügelte Miniaturausgabe der späteren Erfindung, sondern ein spielerisches Modell!

Wie die verschiedenen Aspekte der Corporate Creativity zeigen, genügt es nicht, eine Abteilung oder einzelne Mitarbeiter damit zu beauftragen, für ein Unternehmen einen Kreativgeist zu entwickeln. Corporate Creativity muss auf allen Ebenen und in allen Strukturen gelebt werden. Täglich und kompromisslos.

Mein disruptives ich.

22.06.2016 // 15.29 Gerriet Danz

Umwege, so sagt man, würden die Ortskenntnis erhöhen. Aber sie machen nicht nur das. Umwege auf dem Lebensweg können auch das kreative Vermögen ankurbeln. Zwar ist diese Sicht der Dinge noch nicht sehr alt, aber das gesellschaftliche Denken über biographische Ausreißer hat sich schon in den letzten Jahrzehnten durchaus und in fast allen Branchen sehr gewandelt. Zu Zeiten unserer Großeltern war es Gang und Gebe, dass der Schuster bei seinen Leisten blieb; und das nicht nur sprichwörtlich: Man lernte einen Beruf und übte diesen bis zur Pensionierung aus. Im allerbesten Fall war man auch noch zeitlebens bei derselben Firma beschäftigt. Wer dagegen seine Berufswahl noch ein- oder sogar zweimal überdachte, und eingetretene Pfade verließ, um beruflich zu neuen Ufern aufzubrechen, wurde häufig argwöhnisch betrachtet. Damals war es nicht gut, wenn der Lebenslauf nicht stringent war. Und heute? Inzwischen weiß man es in der Regel zu schätzen, wenn jemand im Laufe seiner Existenz schon über mehr als nur einen Tellerrand geschaut hat. Oft kommen solche Leute irgendwann auf ihrem beruflichen Weg an einen Punkt, an dem sie aus den gesammelten Zutaten ihr eigenes Süppchen kreieren – etwas ganz Neues. So entstehen Innovationen. Bas Kast nennt das in seinem Buch Und plötzlich macht es Klick! eine „hochqualifizierte Nische“, die nicht selten aus einer Kombination von Erfahrungen resultiert, die ein Mensch auf seiner „Job-Odyssee“ sammelt.

Um Ihnen zu verdeutlichen, was ich meine, habe ich ein paar Beispiele zusammengesucht. Bitte begleiten Sie mich auf einen kleinen Exkurs zum Thema Über Umwege die eigene Nische finden! Es ist schon verrückt, dass sogar manchmal findet, wer gar nicht sucht – oder weiß, was er eigentlich sucht. Und das Schicksal braucht manchmal schon sehr viel Geduld, bis so manch einer seine Berufung findet, also seine eigene kreative Nische entdeckt.

Ich beginne bei Steve Jobs, Godfather of Innovation. Die Nummer 1 unter den Innovatoren brach nach nur einem Semester Physik und Literaturwissenschaft sein Studium am Reed College ab. Danach besuchte er unter anderem Kurse für Kalligraphie und reiste munter durch Indien, wo er sich mit dem Hinduismus, dem Buddhismus und der Urschreitherapie auseinandersetzte. Später kam Jobs mit einem Freund irgendwie dahinter, dass Spielzeugpfeifen aus Frühstücksflockenverpackungen genau den gleichen Ton hervorbrachten, wie ihn der Telekommunikationskonzern AT&T zur Abrechnung von Gesprächsgebühren verwendete. Daraufhin bauten und verkauften die beiden jungen Männer eine Blue Box, die ihren Verwendern kostenlose Ferngespräche bescherte. In der elterlichen Garage wurde weitergeschraubt und der erste Apple Computer entstand (er soll seinen Namen übrigens den damaligen Ernährungsgewohnheiten seines Erschaffers verdanken, der seinerzeit strenger Frutarier (meint Früchte-Esser) war). Nach Apple kamen NeXT und Pixar und damit der erste computeranimierte Trickfilm, eine Kooperation mit Disney und der Börsengang. Nach seiner Rückkehr zu Apple hielt Jobs übrigens Einkehr ins Guinness-Buch der Rekorde als am schlechtesten bezahlter Geschäftsführer, mit einem Jahreseinkommen von 1 Dollar. Was noch oft als bahnbrechende Innovation von Steve Jobs gilt, sind aber die verschiedenen Schrifttypen, über die heute jeder Computer verfügt. Ob ihm diese Idee gekommen wäre ohne seinen Ausflug in die Welt der Kalligraphie? Wohl kaum. Durch die Überlappung von technischem und ästhetischem Anspruch fand Steve Jobs eine seiner kreativen Nischen.

Wenden wir uns einem weiteren Kandidaten zu: Albert Einstein. Er begann erst mit drei Jahren zu sprechen und wirkte in seiner Kindheit alles andere als irgendwie begnadet. Viel mehr fiel sein störrisches Wesen auf und es hieß, sein respektloses Verhalten würde sogar auf seine Mitschüler abfärben. Die Schule verließ er ohne Abschluss. Eine Bewerbung an der polytechnischen Schule in Zürich scheiterte. Einstein war ein echter Querdenker; galt auch im späteren Studium als ignorant und eigenwillig; er besuchte kaum Vorlesungen, weil er die Inhalte seiner Ausbildung zum Fachlehrer für Mathematik und Physik als zu abstrakt befand. Er arbeitete als Hauslehrer und auf dem Patentamt, und engagierte sich Zeit seines Lebens sehr für politische und gesellschaftliche Belange. Während seiner Arbeit auf dem Patentamt traf ihn dann der Geistesblitz in Form des Gedankens, dass eine Person im freien Fall ihr eigenes Gewicht nicht mehr spüre. Das war sozusagen der Anfang der Relativitätstheorie. Von dem Moment an konnte Einstein nicht mehr aufhören, nachzudenken. Daraus erwuchsen plötzlich sogar eine „große Hochachtung für die Mathematik“ und eine unbekannte Hartnäckigkeit. Einstein hatte unwissentlich seine Nische entdeckt und forschte bis zu seinem Lebensende unbeirrbar weiter – auch und erstrecht, als sein Freund und Kollege Max Planck ihm davon abriet: „Als alter Freund muss ich Ihnen davon abraten, weil Sie einerseits nicht durchkommen werden; und wenn Sie durchkommen, wird Ihnen niemand glauben.”

Ein sagenhaftes Kreativ-Nischen-Phänomen der Gegenwart ist Bobby Dekeyser. Ihn kennen vielleicht erst einmal nur die fußballbegeisterten, etwas Erfahreneren (um nicht „Älteren“ zu schreiben) unter uns. Aufgewachsen ist der ehemaligen Profifußballer quasi neben der Fabrik seiner Mutter; einem Unternehmen, in dem Kunststoffhenkel für Waschmittelboxen gefertigt wurden. Der junge Dekeyser hatte, so heißt es, nur drei Dinge im Kopf: Fußball, Fußball und Fußball. Nachdem er in einem Camp für Nachwuchsfußballer in New York die Fußballlegende Pelé getroffen hatte, schmiss der gerade mal 15-jährige die Schule hin, um Profifußballer zu werden. Denn Pelé riet ihm: „Folge Deinem Traum und es kann alles passieren“. Er ging seinen Weg, bis er wegen einer Verletzung im Krankenhaus landete. Schon vom Krankenbett aus gründete er ein Unternehmen und wandte sich neuen Projekten zu. Eine Idee: eine Art elegantes aber auch gleichermaßen robustes „Wohnzimmer für draußen“ zu schaffen. Gartenmöbel, die nicht bei dem kleinsten Tropfen Regen hektisch nach drinnen befördert werden müssen. Was lag näher, als den Stoff zum Flechten zu nehmen, aus dem Mami und Großvater seit Jahrzehnten Waschmittelboxhenkelträume (ein Wort für alle Menschen, die aus diesem Text einen Podcast machen wollen ;)) wahr werden ließen? Es dauerte noch etwas, aber heute ist DEDON international bekannt. Und sogar Hollywoodgrößen wie Brad Pitt warten geduldig 12 Monate auf ihre Gartenmöbel, die noch immer auf den Philippinen von den inzwischen rund 2.200 Angestellten Dekeysers gefertigt werden. Mit seiner Stiftung Dekeysers & Friends ermöglicht er jährlich knapp 100 Stipendiaten eine 1 Jahr lang dauernde Förderung, die dem Lebensmotto des Unternehmers folgt: „Lebenserfahrung statt Zeugnis“.

Zu guter Letzt möchte ich noch mich selbst als Beispiel für eine, meiner Meinung nach durchaus gelungene, Kombination an Erfahrungswerten anbringen: Für die Inhalte meiner Vorträge und Seminare verknüpfe ich Wissen und Erkenntnisse, die ich als ehemaliger Kreativdirektor in der Werbung gewonnen habe, mit meinen Erfahrungswerten als Moderator, TV-Format-Entwickler und Unternehmer. Dass ich auch noch Erfahrungen als Mitarbeiter eines Notariats, Kurierfahrer und Firmengründer mit einfließen lasse, erwähne ich nur nebenbei. Was das im Detail bedeutet, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber Sie können mich gerne buchen und/oder sich auf www.gerrietdanz.com umsehen. Jedenfalls hatte jede Erfahrung seinen Sinn –
selbst wenn ich ihn heute erst erkenne.

Zu guter Letzt: Vielleicht wird aus dem Geschilderten deutlich, dass Kreativität keine messbare Größe darstellt. Man kann sie nicht feststellen, wie beispielsweise den Intelligenzquotienten. Sie braucht viel mehr eine bestimmte Entfaltungsmöglichkeit.

Oder, mit den Worten von Steve Jobs: „Lass den Lärm anderer Leute Meinungen nicht deine eigene innere Stimme ertränken. Und am wichtigsten: Hab Mut, deinem Herzen und deiner Intuition zu folgen. Irgendwie wissen sie bereits, was du wirklich willst. Alles andere ist sekundär.“

Mix den Cocktail für Geistesblitze

22.06.2016 // 15.18 Gerriet Danz

Früher brauchte es oft nur einen brillanten Kopf, ein Universalgenie, den einen großen Denker für eine bahnbrechende Idee. Aber nicht nur die Zeiten, sondern vor allem auch die Anforderungen haben sich geändert. In einer Gegenwart, in der es eigentlich schon alles gibt und schon so viel Innovationen stattgefunden haben, ist es viel schwieriger, das Rad neu zu erfinden. Schwieriger jedenfalls als, es beispielsweise noch zum Anfang der Industrialisierung war.

Schaut man sich die Innovationen der jüngsten Vergangenheit an, war daran immer mehr als ein Mensch beteiligt. Von Beginn an, dem ersten Kuss der Muse, dem Hauch einer ersten Idee über die Entwicklung bis zur Realisation. Es sind normalerweise Teams, die Neues hervorbringen. Nun stellt sich doch die Frage, wie so ein „Entdecker-Team“ idealerweise aufgebaut, beziehungsweise zusammengestellt sein sollte! Im Sport lässt es sich manchmal beobachten, dass eine Mannschaft, die nur aus den Besten einer Disziplin zusammengestellt wurde, als Team komplett versagt. Das bedeutet folglich, dass eine homogene Truppe aus Blitzmerkern nicht unmittelbar zum Erfolg führt.

Schauen wir einmal zu jemandem, der mit seiner Mitarbeiterauswahl immerhin so erfolgreich war, dass man ihm 2000 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verlieh: In New York lebt und wirkt eben dieser Nobelpreisträger und Neurowissenschaftler Eric Kandel. Der heute über 80-jährige hat übrigens vor ein paar Jahren ein herrliches Buch darüber geschrieben, was das Betrachten eines Kunstwerkes im menschlichen Gehirn für Reaktionen auslösen kann – unter anderem kann es nämlich der eigenen Kreativität auf die Sprünge helfen. Also nebenbei ein kleiner – gar nicht mal so themenferner – Tipp für alle, die gerade auf der Suche nach einer neuen Urlaubslektüre sind: Das Zeitalter der Erkenntnis von Eric Kandel.

Kandel wurde nach der Nobelpreisübergabe einmal gefragt, worauf er bei der Zusammenstellung seines Forscherteams geachtet hätte. Er antwortete, dass es ihm grundsätzlich wichtig sei, dass die Mitarbeiter etwas können, was er selbst nicht kann. Deshalb bräuchte er in seinen Arbeitskreisen auch keinen zweiten Hirnforscher. Das klingt für mich schon mal ziemlich plausibel.Wir merken uns also: Die Individuen eines (Kreativ-)Teams sollten qua Begabung und Spezialisierung unterschiedlich sein.

Darüber hinaus ist es natürlich nötig, dass sich die menschlichen Teilchen einer erfolgreichen Arbeitsgruppe untereinander austauschen, um effektiv etwas hervorzubringen. Eine Leistung, zu der ein Einzelner von ihnen allein nicht in der Lage gewesen wäre. Wer a-kommunikativ, eigenbrötlerisch, egoman oder narzisstisch veranlagt ist, wird demnach schon einmal von der Liste der potentiellen Kandidaten gestrichen. Wer für diese Behauptung mehr als den gesunden Menschenverstand zur Untermauerung braucht, kann sich die Studienergebnisse von Barbara Nevicka und ihren Kolleginnen von der Universität Amsterdam ansehen. Sie beweisen unter anderem, dass Führungspersönlichkeiten mit aufgeblähtem Ego die Kommunikationsbereitschaft in ihren Teams deutlich negativ beeinflussen. Ein zufriedenstellender Informationsfluss kommt unter ihnen schlichtweg nicht zustande. Also: Menschliche Grundvoraussetzung dafür, part of the team zu werden, sollte ein gewisses Maß an Sozialverträglichkeit sein. Plus: Der Wille und das Vermögen, sich inter-kollegial austauschen zu können.

Der Autor Bas Kast, der in seinen Werken „Menschheitsthemen wie Liebe, Intuition und Kreativität mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse“ unter die Lupe nimmt, schildert weitere Faktoren, die auf produktiv-kreativ in Gruppen zusammenarbeitende Menschen Einfluss haben: So sollen gemeinsam verbrachte Arbeitspausen sich positiv auswirken. Kast beschreibt ein Ritual, das im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin-Dahlem unter Gerd Gigerenzer fast allnachmittäglich stattfindet. Der Psychologe und Entscheidungsforscher etablierte in seinem Team eine Art „Four o’clock tea (or coffee) time“. Abwechselnd sorgen die Mitarbeiter für Gebäck und Gesprächsthemen. Einmal zeigt der eine Dias von seiner letzten Reise und liefert einen Reisebericht dazu; ein anderes Mal referiert jemand anderes über eines seiner Hobbys. Laut Gigerenzer ist es von essentieller Bedeutung, dass ein Chef dafür sorgt, dass seine Mitarbeiter zu einem zwanglosen Miteinander zusammenkommen. Seiner Meinung nach dienen solche informellen Treffen ungemein den formellen Kollaborationen der Arbeitswelt.

Dann wären da also noch die räumlichen Gegebenheiten, die den Output von Teams beeinflussen: Hat man die eben geschilderten informellen Treffen im Hinterkopf, ist es logisch, dass sich Mitglieder von Arbeitsgruppen nicht nur zu Kaffee und Plaudereinen über den Weg laufen. Ihre Bahnen sollten sich auch im restlichen Arbeitsalltag immer wieder kreuzen. Deswegen wäre es sinnvoll, Teams in einem Gebäude und auf der gleichen Etage unterzubringen. Im Idealfall gibt es die Architektur her, dass die Gänge großzügig geschnitten sind, also weite Korridore darstellen. Und zu guter Letzt ist Sichtkontakt zwischen den Menschen eine Austauschförderliche Maßnahme; das bedeutet eine klare Absage an verwinkelte Nischenbüros.

Eine meiner Lieblingsgeschichten im Zusammenhang mit dem Thema „architektonische Optimierung für den Austausch unter Mitarbeitern“ ist die Ein-Klo-Idee von Steve Jobs. Der Apple-Gründer hatte sich Ende der 1980’er Jahre ein Unternehmen gekauft, das etwa 10 Jahre später eine neue Firmenzentrale brauchte. Gut, ich will es nicht noch spannender machen: Es handelte sich um die Animationstraumfabrik Pixar, die ursprünglich aus ein paar Computer-Spezialisten bestand und nicht viel mehr produzierte als die Special-Effects für Star Wars Episoden (deswegen konnte Jobs die Firma wahrscheinlich auch für läppische 5 Millionen Dollar schießen, die ihn ein paar Jahre und eine Kooperation mit Disney später, mit Toy Story zum Milliardär machte). Das aber nur nebenbei. Das Unternehmen war also signifikant gewachsen und ein neues Gebäude musste her. Und auch Jobs war Anhänger der Theorie, dass die Architektur dafür Sorge tragen müsste, dass sich die Mitarbeiter immer wieder zwanglos begegnen konnten. Auch seiner Meinung nach ergibt sich Kreativität nämlich aus zufälligen Gesprächen: Jemand erzählt davon, was er gerade macht und schon kämen seinem Gesprächspartner von selbst die tollsten Einfälle. Cafeteria, Loungebereiche und ein Kinosaal mögen da die gängigsten Begegnungsstätten sein; und genau das war auch für den neuen Pixar-Sitz vorgesehen. Darüberhinaus hatte Jobs aber noch die Idee, auch den letzten Mitarbeiter, der sich vielleicht für Kaffee, Kino und Kulissen nicht begeistert, in die Kommunikationsfalle zu locken. Der Geistesblitz: er wollte für das gesamte Gebäude nur einen einzigen Sanitärbereich bauen lassen. „Auf’s Klo muss schließlich jeder mal, so kriege ich sie alle“, mag er sich gedacht haben. Am Ende muss aber irgendjemand doch noch sein Veto eingelegt haben, denn es gibt heute definitiv mehr als einen WC-Bereich in dem Gebäude in Kalifornien. Und übrigens tut dieser Umstand dem unbestritten kommunikationsfördernden Haus in keinster Weise einen Abbruch – und, wer weiß, vielleicht wäre es ja auch zu viel des Guten, wenn man nicht einmal auf dem Klo seine Ruhe hat.

Per Flow zum Ideen-Überflieger.

20.06.2016 // 17.54 Gerriet Danz

Haben Sie schon einmal vom Sputnik-Schock gehört? Es handelt sich dabei um das bestimmt nicht sehr angenehme Gefühl, dass sich am 04. Oktober 1957 in den Reihen der amerikanischen Regierung breit machte, als die Russen – genauer und zeitgenössischer ausgedrückt: die damalige Sowjetunion – den weltweit ersten Satelliten auf seine Umlaufbahn schickte.Damit aber nicht genug: Schmachvoller Weise für die westliche Supermacht USA hatte die Weltraumkonkurrenz im Osten die Reisepläne für den kleinen Sputnik sogar Monate im Vorfeld angekündigt – man hatte ihnen dummerweise nur keinen Glauben geschenkt.

Und weil das Verdutzen der Amerikaner Herrn Chruschtschow offenbar in Verzückung geraten ließ, setzte er gleich noch mal eins obendrauf und verabschiedete Sputnik Zwei ins All, noch bevor überhaupt der Ansatz einer amerikanische Antwort auf die vorangegangene Satellitenpremiere hatte erfolgen können.

Warum erzähle ich Ihnen diese kleine Geschichte? Schließlich ist das längst kalter Krieg … äh, Kaffee! Es ist aber auch noch etwas anderes als das und zwar der Startschuss für die Entwicklung der zahlreichen Kreativitätstechniken, die wir heute noch benutzen. Sputnik 1 war der Satellit gewordene Beweis, dass die Amerikaner nicht selbstverständlich die führende Weltmacht in Sachen Technologie und Wissenschaft waren und bleiben mussten. Plötzlich war klar, dass dringend innovative, kreative, originelle Köpfe von Nöten waren, wollte man dem Höhenflug der Sowjetunion adäquat begegnen. Umgehend wurden diverse Programme ins Leben gerufen, um kreative, innovative Menschen zu finden und entsprechend zu fördern.

Die erwähnten Kreativ-Techniken gibt es noch immer zuhauf. Einige von ihnen werden heute noch beinahe unverändert eingesetzt. Andere wurden weiter entwickelt. Und gänzlich Neue wurden erdacht; wieder andere inzwischen als gar nicht unbedingt sooo förderlich für das Hervorbringen von Ideen erkannt.

Auch in den Anfängen der Innovationsforschung träumte man bestimmt schon von dem berühmten Schaffensrausch, den lange nur einzelne Künstler, wie Komponisten oder Maler, beschrieben – und von dem man lange nicht so genau wusste, ob man ihn vielleicht nicht auch als pathologisch einstufen sollte oder jedenfalls als bedenklich. Die Rede ist von einer Art Ekstase; einem Schaffensrausch, der denjenigen, dem es gelingt, dermaßen tief in ein Thema/ein Projekt/eine Arbeit einzutauchen, das Gefühl für Raum und Zeit, Gedanken an den Alltag und sogar Hunger vollkommen vergessen lässt.

Mihály Csíkszentmihályi*, emeritierter Professor für Psychologie an der Universität von Chicago und Autor, nennt dieses Phänomen übersetzt das „Flow-Erleben“. Mir ist dies gerade fast schon beim Schreiben seines außergewöhnlichen Namens passiert. Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass Csíkszentmihályi nicht der erste Wissenschaftler war, der sich beruflich mit dem beschäftigte, was sein Vorgänger Kurt Hahn als „schöpferische Leidenschaft“ bezeichnete, Maria Montessori mit „Polarisation der Aufmerksamkeit“ benannte und Abraham Maslow zur „peak experience“ erklärte.

Zurück zum einzigen der Rausch-Erforscher, der noch lebt: Der Mann mit dem komplizierten Nachnamen, Mihály Csíkszentmihályi beschrieb 2004 in einem TED-Talk die schaffende Ekstase als einen mentaler Zustand, in dem man die Welt um sich herum vergäße. Man blende einfach alles andere aus und befände sich in einer Art alternativen Realität. Dieses Flow-Erlebnis sei so intensiv, das es sich anfühle, als würde man aufhören zu existieren.

Das menschliche Nervensystem kann nicht mehr als etwa 110 Bits pro Sekunde an Informationen aufnehmen und verwerten; wer also konzentriert einem spannenden Vortrag lauscht, verbraucht schon etwa 60 Bits in der Sekunde. Deswegen sind wir auch nicht in der Lage, mehr als zwei Menschen zur gleichen Zeit zuzuhören, die auf uns einreden – oft ist es schon schwierig genug mit einem!
Wer sich tief in einen kreativen Prozess begibt, hat schlichtweg nicht mehr genügend Aufmerksamkeit für irgendwelche physischen Signale seines Körpers übrig, wie Hunger oder Müdigkeit. Es sind keine Kapazitäten mehr frei. Es sei, als wäre man körper- und nahezu identitätslos. Manche Menschen beschreiben diesen Zustand mit den Worten: „Es ist, als würde alles von selbst gehen, als flössen die Worte nur so aus mir heraus.“

Man könne, so Csíkszentmihályi, einen Flow erreichen, wenn man etwas trainiere, sich spezielle Techniken zulege. Die Forschung sagt, dass man etwa zehn Jahre lang üben muss, bevor sich solche Zustände einstellen – zumindest, wenn man nichts geringeres möchte, als eine Oper zu komponieren oder ein Gemälde von Weltruf zu schaffen. Bei weniger ambitionierten Zielen, oder besser gesagt mehr alltäglichen Kreativleistungen, wären ein paar Dinge schon mal eine gute Voraussetzung: Nämlich, dass man wirklich glücklich mit dem ist, was man tut. Dass man neugierig bleibt, dass man sich darüber klar wird, woran das eigene Herzblut klebt. Was treibt einen und welche Unternehmen faszinieren einen? Und weswegen? Was wäre so absurd daran, sich dort zu bewerben? (Vorausgesetzt man arbeitet dort noch nicht, natürlich.)
Ein kluger Mann sagte einmal: „Du hat nur EINE Chance, die etwa 70 bis 90 Jahre dauert – es wäre dumm, sie nicht zu nutzen!“ Diese Aussage lässt sich vom gesamten Leben, ohne Weiteres auch auf das berufliche Wirken eines jeden, übertragen. Wir verbringen alle sehr viel Zeit mit unserem Job, dann sollte er uns in irgendeiner Hinsicht schon erfüllen.
Das klingt vielleicht etwas biologisch abbaubar, aber es ist etwas Wahres dran. Dazu Masaru Ibuka, der vor 70 Jahren mit sehr wenig Geld und einem Freund das Unternehmen Sony Corporation gründete, über „The first purposes of Incorporation of Sony“: „To establish a place of work where engineers can feel the joy of technological innovation, be aware of their mission to society, an work to their heart’s content.“
Ein schönes Beispiel dafür, wie ein Flow auf den Arbeitsplatz übertragbar ist.

Laut Csíkszentmihályi kann man sich in einen flow-artigen Zustand bringen, indem man sich immer wieder neue Ziele setzt: Nicht zu einfach, weil man sich sonst langweilt, und nicht zu herausfordernd, weil Frustration sonst vorprogrammiert ist. Stattdessen sollte man die Intensität und Aufgabenstellungen langsam hochfahren und sich selbst in einer Art „Kreativitätskorsett“ bewegen. Wissenschaftler fanden nämlich schon Anfang des Jahrtausends heraus, dass weiße Blätter (beziehungsweiße leere Folien) und eine Alles-kann-nichts-muss-Devise den kreativen Output gar nicht so beflügeln, wie man vielleicht zunächst denken könnte. Ganz im Gegenteil.
Man hatte in einer Studie zwei verschiedene Gruppen von Probanden gebildet und mit LEGO™ Steinen ausgerüstet. Die erste Gruppe bekam keine Vorgaben; sie sollte mit den Steinen bauen, was immer sie wollte. Gruppe Zwei dagegen bekam einige „Bauauflagen“; so sollte sie beispielsweise nur eine ganz bestimmte Sorte der bunten Steine für ihr Werk benutzen und keine rechtwinkligen Ecksteine („Dreier“, für die LEGO™-Kenner unter uns). Das, was die „beschränkten“ Baumeister produzierten, wurde hernach von den Forschern als deutlich kreativer bewertet, als das was die „Freestyler“ ablieferten.

Je nachdem, was man austüffteln soll, kann eine Einschränkung zum Beispiel aus einer Zielgruppe, einem Material, einem Zweck oder oder oder bestehen. Probieren Sie es einfach einmal aus!

Schon bei kleinen Kindern kann man übrigens beobachten, dass sie kreativ werden, wenn man sie mit relativ wenig Spielzeug ausstattet; oder ihnen nur ein paar wenige Alltagsgegenständen aus der Küche, beispielsweise einen Schneebesen und einen Kochtopf gibt. Oft können sie sich stundenlang damit beschäftigen und entdecken immer wieder neue Einsatzmöglichkeiten im Spiel.

Den kleinen und den großen, den jungen und den junggebliebenen Kreativen wünsche ich viel Spaß beim Ideenproduzieren – ach, da fällt mir noch eine Geschichte ein: Der Samba wurde angeblich entwickelt, weil die Sklaven auf den Baumwollfeldern trotz der Ketten um ihre Fuß- und Handgelenke tanzten. Sie erfanden einen Tanz im Rahmen ihrer Möglichkeiten – und buchstäblich in ihren Fesseln.

* Hier ein Tutorial, für alle, die diesen zungenbrechenden Namen korrekt aussprechen wollen.

Innovation entsteht zwischen ☺ und ☹.

20.06.2016 // 17.07 Gerriet Danz

Froh zu sein bedarf es wenig – und wer froh ist, ist auch kreativer. Das stimmt wirklich: Wer glücklich ist, kann kreativer arbeiten. Unseren emotionalen Befindlichkeiten wird häufig immer noch zu wenig Bedeutung beigemessen – vor allem, was unsere Denk- und Arbeitsleistung betrifft. Dabei haben Stimmungen einen großen Einfluss auf das, was wir tun – und nicht zuletzt auf unsere kreativen Ergüsse. Forscher der Pennsylvania State University untersuchten die Wirkung von verschiedenen Emotionen, auf den Entstehungsprozess von Ideen. Dazu wurden die Probanden zunächst gebeten, sich an einen glücklichen Moment in ihrem Leben zu erinnern und davon zu erzählen; dann bekamen die Testpersonen die Aufgabe, so viele Dinge wie möglich aufzuschreiben, die ihrer Meinung nach fliegen könnten. Den gleichen Test wiederholte man mit einer anderen Gruppe, die man jedoch zunächst bat, sich auf einen besonders traurigen Moment in ihrer jüngsten Vergangenheit zu besinnen und ihn anschließend zu teilen.
Durchschnittlich hatten die glücklicheren Kandidaten etwa um 50 Prozent mehr Einfälle für Flugobjekte als die unglücklichen.

Auch Teresa Amabile von der Harvard University bestätigte mit ihren Untersuchungen den glücklichen Kreativitätsbooster.
Für diejenigen unter Ihnen, die gerade noch überlegen, warum der Name „Teresa Amabile“ ihnen so bekannt vorkommt: Vielleicht deshalb, weil Sie ein sehr aufmerksamer Zuhörer, beziehungsweise Leser, sind und Sie die Dame aus einer anderen Folge der Out of the Box-BOX erinnern: Sie war diejenige, die Mitarbeiter großer Unternehmen Tagebuch führen ließ und feststellte, dass das Thema „Geld“ in den Aufzeichnungen ihrer Probanden keine Rolle spielte; also keinen Anreiz fürs Kreativsein bilden kann.
Eine Analyse genau dieser Tagebucheinträge brachte jedenfalls auch ans Licht, dass die Leute viel häufiger bahnbrechende Idee hatten, wenn sie glücklich waren – selbst, wenn der Glücksmoment schon einige Zeit zurück lag.

Grund hierfür könnte der Anstieg des Glückshormons Dopamin im Gehirn des Glücklichen sein. Das Dopamin sorgt, vereinfacht ausgedrückt, dafür dass der Informationsfluss in allen anderen Teilen des Denkapparats funktioniert und auch zum Rest des Körpers weitergegeben wird.
Die wichtige Rolle, die der Dopaminspiegel für die Kreativität spielt, wird übrigens richtig deutlich, wenn einmal Mangel an dem glücklich machenden Botenstoff herrscht, wie beispielsweise bei Parkinson. Forscher an den Universitäten von Pennsylvania und Barcelona beobachteten, vollkommen unabhängig von einander, dass Parkinsonkranke in regelrechte Schaffensrauschzustände verfielen, wenn man sie mit einer Vorstufe des Dopamins medikamentös behandelte. Und auch bei Gesunden hängt die Kreativität nachweislich mit der Konzentration des Hormons im Gehirn zusammen, da es – so die Theorie der Wissenschaftler – die Flexibilität des Denkens multipliziert und ebenso den Drang verstärkt, sich künstlerisch, beziehungsweise kreativ, zu betätigen.

Wenn nun aber Hängeohrenzeit herrscht und jemand alles andere als glücklich ist, wird er Gehirnstoffwechselbedingt weniger in der Lage sein, kreativ zu denken. Stattdessen fixiert er sich auf Details und wird kaum Lösungsansätze entwickeln, für die er viel weiter denken müsste als von der Tapete bis zur Wand. Das mag jetzt sehr überspitzt klingen, aber schließlich veranschaulicht Übertreibung enorm ☺

Was kann man also tun, um die Stimmung hoch zu halten? Dr. Amantha Imber, Bestsellerautorin, Innovations-Psychologin und Gründerin von Inventium, einer internationalen Innovationsschmiede mit Sitz in Australien, weiß Rat: Bevor man mit einer Aufgabe beginnt, die voraussichtlich eine kreative Leistung von einem erfordern wird, sollte man sich an einen Moment erinnern, in dem man glücklich war. Im Weiteren könnte man probieren, seine Schaffensphasen auf seine Emotionen abzustimmen. Wenn ich also absehen kann, dass ich wahnsinnig froh sein werde, weil am Wochenende endlich ein Wiedersehen mit der Liebsten ansteht, kann ich mir meine Vorfreude zu nutze machen, indem ich sie als kreativgewordenen Denkansatz in meine Arbeit fließen lasse.
Unternehmen können dafür sogen, dass Ihre Mitarbeiter in einem Umfeld arbeiten, dass sie glücklich macht, beziehungsweise in einer Arbeitsumgebung, in die sie gerne kommen. Je mehr verschiedene Leute in einer Firma arbeiten, desto mehr Flexibilität ist also gefragt. Vielleicht kann auch die eine oder andere regelmäßig durchgeführte Umfrage helfen, allen, so weit es geht, gerecht zu werden.
Und vor Kreativ-Meetings und Workshops hat es sich als effektiv herausgestellt, wenn man die Teilnehmer in eine gute Ausgangsstimmung versetzt, indem man ihnen vorher zum Beispiel eine Folge einer gerade angesagten Comedy-Serie zeigt. Oder eben etwas anderes Lustiges – komische Versprecher bei der Tagesshow; Loriot-Sketche oder oder oder … Möglichkeiten gibt es genug. Man beachte bitte nur, dass Humor ein weites Feld ist, auf dem manchmal Tretminen liegen. Es empfiehlt sich also bei der Wahl des kurzweiligen Stimmungsmachers, ein wenig Fingerspitzengefühl für das Spaßempfinden der Belegschaft walten zu lassen.

Wo es eine These gibt, findet man häufig auch eine Antithese. Denn logisch: Man kann auch aus dem Unglücklichsein heraus Innovatives schaffen. Das beweisen allein schon zahlreiche Lieder, die Produkte von Liebesleid und Herzensschmerz sind.

Scott Barry Kaufmann, Psychologe an der University of New York forscht mit seinen Kollegen an einem Phänomen, das er als „Posttraumatisches Wachstum“ bezeichnet. Das klingt zunächst nach äußerst erschütternden Vorgängen, meint aber jene Entwicklungen, die wir durch Gegenschläge aller Art im Leben machen; Lebenskrisen als Kreativmacher – wenn man es so nennen will. Den Forschern zur Folge können die traumatischen Erfahrungen Menschen dazu bringen, zwischenmenschliche Beziehungen intensiver wahrzunehmen, das Leben an sich mehr zu schätzen, einen spirituellen Weg einzuschlagen, persönlich mehr Stärke zu entwickeln und neue Möglichkeiten in ihrer Existenz zu erkennen. Laut Kaufman nützten die Schicksalsschläge durchaus für einen Perspektivwechsel im Hinblick auf den Sinn des Lebens. Man würde quasi zum Umdenken gezwungen werden – und das sei sehr, sehr förderlich für die Kreativität.
Der Philosoph Wilhelm Schmid geht in seinem Gastbeitrag „Lernt, unglücklich zu sein!“ in der Süddeutschen Zeitung sogar so weit, zu behaupten, wir säßen heute noch auf den Bäumen, gäbe es nicht Unglück und Zufriedenheit, die einen in Gang brächten. Schließlich würden Glück und Zufriedenheit einen nur träge werden lassen, weil es keinen Anreiz gäbe den Status Quo zu verändern – man sei schließlich glücklich.

Was bedeutet dies nun für kreative Menschen, die für sich oder ihr Unternehmen Innovationen finden möchten? Es ist ein Spiegel des Lebens und des Alltags, den jeder von uns kennt: Scheitern gehört zum Leben dazu, macht einen Menschen eher unglücklich, aber klüger. Und wer klüger ist, weiß wieder mehr und kommt zu besseren Lösungen. Was dann wieder glücklich macht.

Outside the line: Irgendwie habe ich plötzlich das Titellied von Alfred Jodokus Quak im Kopf – einer Kinderserie aus den 90ern. Sollte Sie das Lied nicht fröhlich, sondern nervös machen: Sie wissen ja, wo der Stopp-Knopf ist.