Kleider machen Kreative.

Wann sind Sie eigentlich das letzte Mal aus der Reihe getanzt? Oder sind Sie sowieso jemand, der aus Prinzip lieber mit, als gegen den Strom schwimmt? Und was bedeutet das überhaupt, einfach mal „anders“ zu sein? In jedem Fall hat es zur Folge, dass jemand, der sich von der Norm abhebt, auf kreativere Gedanken kommt, als der Mainstreamer. Das wiederum rührt daher, dass seine Fähigkeiten zum sogenannten „divergenten“, abweichendem Denken in der Regel deutlich mehr ausgeprägt sind. Es war der Persönlichkeits- und Intelligenzforscher Joy Paul Guilford, der den Begriff des divergenten Denkens fand und prägte. Er beschrieb es als eine offene, unsystematische und experimentierfreudige Art, sich einem Thema zu nähern. Das divergente Denken ist das Gegenteil zum konvergenten Denkvorgang, der eher als linear, gewöhnlich und streng rational-logisch beschrieben wird. Die beiden Denkstile können zwar nicht gleichzeitig ausgeführt werden, aber sich im idealen Kreativprozess durchaus ergänzen.
Nun aber zurück zur alltagstauglichen Art des Aus-der-Reihe-Tanzens: Es gibt diese unglaublich – um es nett auszudrücken – herausfordernden Menschen, die zum Beispiel durchdrungen sind von einer Fernsehserie, nehmen wir mal „Deutschland sucht den Superstar“. Sie reden wie Dieter Bohlen; sie zitieren ihn, sie kennen die Sieger der vergangenen 12 Staffeln (welcher dieser Sieger ist eigentlich wirklich ein Superstar geworden?) und sind mit der Sendung bei Facebook befreundet. Gibt’s wirklich, solche Leute. In echt. Und dennoch: Wenn sich so ein DSDS-Fan nun auch noch ein Poster mit Herrn Bohlen über den Schreibtisch hängt, kommt das seiner Kreativität absolut zugute.
Bedanken Sie sich für diese Erkenntnis bei Jens Förster, Ronald S. Friedman, Eva B. Butterbach und Kai Sassenberg: Die vier Wissenschaftler belegten mit mehreren Experimenten, dass abweichendes Verhalten zu einem Anstieg der Kreativität bei den Teilnehmenden ihrer Studien führte. Sie teilten ihre Probanden in zwei Gruppen ein; mit Gruppe 1 wurde ein kurzes Gespräch über den Begriff „Punk“ geführt, Gruppe 2 sprach über einen Ingenieur. Danach wurden beide Gruppen zum Test gebeten. Gefordert waren kreative, aber auch analytische Lösungsansätze – und siehe da: Die Punk-Probanden gaben zwar eindeutig kreativere Dinge von sich, aber schnitten analytisch schlechter ab als die Ingenieur-Gruppe! Das bedeutet, man kann sich nicht nur kreativ tunen, sondern mit relativ einfachen Mitteln auch dem analytischen Denken auf die Sprünge helfen. Das merke ich mir für die nächste Inkarnation.
Kunstwerke, im engeren und weiteren Sinne, haben den gleichen Effekt. Daher die Auswirkungen von Bildnissen, die wir kreativ oder andersartig bewerten – deswegen tut der DSDS-Freund seiner Kreativität auch mit einem Poster über dem Schreibtisch etwas Gutes.
Wer auf seinem Arbeitsplatz kreativ sein muss, sollte sich mit Inspirativem umgeben….und schon findet der eine oder andere nun vielleicht endlich einen Platz auf seinem Schreibtisch – für das getöpferte Weihnachtsgeschenk seines Patenkindes.

Und auch unser Kleidungsstil hat Einfluss auf unsere Kreativität; getreu dem Motto: Kleider machen Leute – stärker noch: Kleider machen Kreative und Ideen. Was tragen Sie eigentlich, wenn Sie arbeiten? Und was würden Sie tragen, wenn Sie es sich aussuchen könnten? Ist in Ihrem Unternehmen erlaubt, was gefällt oder gibt es eine Kleiderordnung? Es gibt Firmen, in denen jeden Tag casual angesagt ist. Übrigens ist das einer der nicht ganz unbedeutenden Unterschiede zwischen der Kultur im Silicon Valley, der Brutstätte internationaler Innovationen, und dem häufigen Must-Dress in Europa: Drüben der legere Hipster Schlabber-Look (auch Steve Jobs kam in Schlappen zur Arbeit) und hierzulande dagegen oftmals steife Krägen, Würge-Krawatten und zwickende Anzüge. Dabei fanden Forscher heraus, dass eine gewisse Bewegungsfreiheit auch unseren Gedanken eher Flügel verleiht. Das hat mittlerweile auch Daimler verstanden – Krawatten sind out in Stuttgart. Ähnlich lief’s bei Bosch. Doch halt, Finger weg vom Altkleidercontainer und erst die ganze Geschichte zu Ende lesen!

Es gibt eben auch Menschen, die sich wohl fühlen in formeller, klassischer Garderobe – und die beim Lesen der letzten Zeilen vielleicht immer unruhiger wurden. Sie können sich entspannen, auch für Sie und Ihre Kreativität hat die Wissenschaft Beruhigendes herausgefunden: Eine Studie der Columbia University und der California State University in Northbridge ergab, dass Kleidung einen großen Einfluss auf das menschliche Denken hat. Und formalere Kleidung führe dazu, dass man Arbeitsabläufe abstrakter angehe. Jemand, der förmlich gekleidet ist, tendiere den Forschern zu Folge dazu, eher im Gesamtzusammenhang zu denken und weniger auf Details zu achten.
Das belegen zumindest die Ergebnisse der Tests, die Michael Slepian und seine Kollegen durchführten: Zunächst wurden die Probanden gebeten, einzuschätzen wie formell die Kleidung war, die sie gerade trugen. Danach forderte man sie auf, sich etwas anzuziehen, was sie bei einem Bewerbungsgespräch tragen würden. Es zeigte sich, dass diejenigen mit der formelleren Kleidung eine umfassendere, ganzheitlichere Denkweise an den Tag legten, als die legerer Angezogenen. Was war passiert? Angeblich bewirkt der formelle Zwirn, dass man sich mächtiger fühlt. Und das wiederum führt dazu, dass man sich überhaupt traut, abstrakter zu denken. Nicht von ungefähr heißt es wohl auch, der Anzug sei ein Symbol der Macht.
Es sei aber auch wichtig, so betonten die Wissenschaftler, dass sich die Menschen in ihrer formellen Kleidung wohl fühlten und fänden, dass sie gut aussehen.

Ich halte einmal fest, dass es offenbar für fast jede Art von Aufzug gute Argumente gibt und dass es das Wichtigste ist, dass man sich wohlfühlt in seiner Haut und mit dem, was man darüber trägt: Für die einen ist es eben mehr casual und für die anderen Stock und Hut.

Für Mitarbeiter, die sich gern lässiger kleiden würden, aber in Unternehmen arbeiten, in denen Kleidungsvorschriften im Sinne von Anzugspflicht mit optionaler Krawattenmöglichkeit gelten, dürfte die Einführung eines Casual-Friday ein Lichtblick sein – und zwar nicht nur, weil dann fast Wochenende ist.

Lassen Sie uns zum Schluss einen Schritt zurück setzen; und zwar gedanklich direkt vor Ihren Kleiderschrank: Wer oder wie entscheidet sich überhaupt, was man morgens anzieht, wenn einen KEINE Kleiderordnung zu irgendetwas zwingt? Maßgeblich bestimmt das oft die jeweilige Laune, die Ihnen vom Tag mit auf den Weg zur Dusche gegeben wurde! Und wie so oft im Leben gilt auch hier: Innen wie außen und außen wie innen. Das bedeutet: Was wir tragen, beeinflusst auch unsere Stimmung und damit auch unsere Arbeit. Das wiederum heißt: Wer sich in Sack und Asche hüllt, weil er mies wachgeworden ist, nimmt sich eventuell die Chance, dass der Rest des Tages doch noch besser wird.

Und bevor ich nun weitermache, tausche ich den Pyjama mal gegen Shirt und Jeans – irgenwie werde ich immer müder;-)