Da ich ja viel davon rede und schreibe, wie Innovationen und neue Idee auf Gegenwind von Bedenkenträgern stoßen, habe ich im Folgenden einmal meine Lieblings-Scheiter-Weiter-Geschichten zusammengetragen. Manche sind kürzer, andere länger. Gemeinsam haben sie, dass Menschen, Ideen, Werke oder Erfindungen abgelehnt wurden, die sich zum Glück im Nachhinein als bahnbrechend erwiesen. Ich hoffe, sie machen Ihnen Mut. Mut, eine Idee auch dann weiterzuverfolgen, wenn man Ihnen vehement davon abrät. Den Gegenwindlern mag man zugutehalten, dass die Ablehnung schon im Wort steckt: In-NO-vation. Aber, wie bereits geschrieben: Bleiben SIE bitte innovativ! Und denken Sie immer daran, dass Sie sich in guter Gesellschaft befinden, wenn eine Ihrer Ideen auf dem Markt erst einmal keinen Applaus erntet.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Albert Einstein als „Technischer Experte 3. Klasse“ beschäftigt. Ein Titel, der dem späteren Erdenker der Relativitätstheorie und Nobelpreisträger zwar nicht gerecht wurde. Er gab ihm aber andererseits genügend Freiraum, sich neben seiner Arbeit noch andere Gedanken zu machen. Wer weiß schon, ob ihn der Geistesblitz sonst vielleicht gar nicht getroffen hätte!

An einem trüben Wintertag des Jahres 1903 saß Mary Anderson in einer New Yorker Straßenbahn und sah dem Fahrer dabei zu, wie er ein ums andere Mal aussteigen musste, um die Frontscheibe des Gefährtes zu säubern. Schnee nahm ihm immer wieder die Sicht. Nicht nur, dass die Fahrt sich auf diese Weise unnötig in die Länge zog, der jungen Dame wurde durch das ewige Raus und Rein des Fahrers auch empfindlich kalt. Wieder zu Hause, machte sich Mary Anderson Gedanken, wie sich die Scheiben eines Fahrzeuges von innen bei widrigen Wetterverhältnissen sauber halten ließen. Das Ergebnis war ein Hebel mit einem schwingenden Arm samt Gummilippe – oder eben auch die erste Scheibenwischanlage der Welt! Anderson ließ sich ihr Modell für 17 Jahre patentieren (falls Sie es nicht wissen sollten, Patente kosten ein Heidengeld). Sie bot ihren Scheibenwischer auch einem großen kanadischen Unternehmen an, das ihn allerdings ablehnte, weil die Erfindung angeblich keinen kommerziellen Wert hätte. Leider hat diese Geschichte kein happy end: Das Patent lief aus, die Automobilindustrie nahm in jeder Hinsicht Fahrt auf und es dauerte gar nicht lange, da gehörten Scheibenwischer zur Standartausrüstung jedes Fahrzeuges.

Die Amerikanerin Marion Donovan hatte vielleicht ein Erfindergen mit auf die Welt bekommen, denn auch ihr Vater hatte auf dem Gebiet der Neuentdeckungen einiges zu bieten. Für die kleine Marion war es also ganz selbstverständlich, dass ständig etwas um sie herum neu erfunden, ausprobiert, wieder verworfen oder auch ergänzt wurde. Alltäglich war für Sie auch, dass man ein Patent anmeldete, wenn man etwas für besonders gelungen hielt. Sie selbst brachte es immerhin in ihrem Leben auf insgesamt 12 Patente. Ihre wohl bekannteste Entdeckung haben zumindest die Eltern unter uns schon einmal in der Hand gehabt (und dabei innerlich der Erfindern gedankt, dass es heutzutage Wegwerfwindel gibt, die einem stundenlanges Auskochen und wunde Babyhintern ersparen). Als Marion Donovan in den 1940’er Jahren für ihre Kinder die ersten Überhosen aus Duschvorhängen nähte, wurden diese noch mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten. Schnell verfeinerte sie ihre Arbeit und fertigte die sogenannten „Boater“ aus Fallschirm-Nylon und mit Druckknöpfen. Der Absatz war riesig. Als waschechte Innovateuse entwickelte Marion Donovan ihre Idee natürlich weiter und suchte unablässig nach einer Papiersorte, die es schaffen sollte, die Feuchtigkeit von der Haut der Zöglinge wegzuleiten: Die junge Mutter war quasi auf dem Weg zur Wegwerfwindel. Papierfabrikanten, denen sie ihr Produkt schließlich anbot, winkten jedoch müde ab und ließen verlauten, dass eine Serienherstellung viel zu kostenintensiv wäre. Ein Jahrzehnt später, machte ein Chemieingenieur von Procter & Gamble mit einer Hose namens Pampers (aus billigem Kunststoff, Krepppapier und Viskose, übrigens wieder zusammengehalten mit Sicherheitsnadeln) ein Vermögen.

Den Beatles gaben zwei Musikmanager aus London Mitte der 1960’er Jahre zu verstehen, dass Gitarrengruppen schon bald nicht mehr angesagt wären und dass man lieber eine ortsansässige Band unter Vertrag nähme als eine aus Liverpool. Typischer Fall von „falsch gedacht“. Wir wissen alle, was aus den Beatles und ihrer Gitarrenmusik wurde. Und die beiden Manager würden sich heute vielleicht noch im Grab umdrehen, um sich in den eigenen Hintern zu beißen. Wenn sie nicht auch diejenigen gewesen wären, die nur ein Jahr später zumindest bei den Rolling Stones Potential erkannten und diese unter Vertrag nahmen.

Pop-Art Künstler Andy Warhol schenkte zu Beginn seiner Karriere dem Museum of Modern Art in New York das Bild The Shoe. Und wurde postwendend angerufen und gebeten, das Werk wieder abzuholen. Man hätte keinen Platz dafür, auch nicht im Lager. In den folgenden Jahren kaufte das Museum einige Werke Warhols für zig tausende Dollar.

Es gibt eine sehr lange Reihe von Autoren, die in erster, zweiter und auch achter Instanz keinen Verlag fanden, der sich für ihre Manuskripte interessierte. Sie werden es kaum glauben, aber Moby Dick, Das Parfum und auch Der Name der Rose haben ebenso eine Odyssee hinter sich, wie Harry Potter. J.K. Rowling sagte man, ihr Manuskript sei zu lang, nicht kommerziell interessant und obendrein politisch nicht korrekt. Hätte nicht die achtjährige Tochter eines Verlegers die Geschichte in die Finger bekommen und ihrem Papa pausenlos in den Ohren gelegen. Sie wollte nämlich wissen, wie es mit Harry und seinen Freunden weitergeht. Dies war der eigentliche Grund dafür, dass Vatern das Geschäft seines Lebens machte. Die sieben Bände wurden bis heute in 65 Sprachen übersetzt und über 400 Millionen Mal verkauft. Frau Rowling gilt als die erste Schriftstellerin, die mit ihrer Arbeit mehr als eine Milliarde Dollar verdient hat. Und wussten Sie, dass der Bestsellerautor John Grisham sein erstes Buch selbst drucken ließ und es aus dem Kofferraum seines Wagens heraus verkaufte, weil er keinen Verlag gefunden hatte?

Auch der Sport kennt Fälle von Talentverkennung: Der Basketballer Michael Jordan flog aus seinem Highschool-Basketball-Team. Und auch Torwartlegende Oliver Kahn hörte häufig, dass er nicht gut genug sei. Das, was ihm vielleicht an Talent fehlen mochte, kompensierte Kahn allerdings durch beispiellose Beharrlichkeit und einen Feuereifer, mit dem er alle um sich herum entfachte und inspirierte. Seine sportlichen Erfolge sprechen inzwischen eine deutlichere Sprache, als die Unkenrufe der Vergangenheit.

Der Film Slumdog Millionaire gewann acht Oscars. Die Produktionsfirma hatte jedoch nicht so richtig an den Erfolg geglaubt und die Rechte vor dem Erscheinen des Films zum Verkauf angeboten. Glück im Unglauben: Sie verkaufte lediglich 50 Prozent ihrer Anteile.

Zum Schluss noch etwas Bemerkenswertes zum Thema Innovationen aus Deutschland: Laut dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, ist Deutschland europaweit führend, was die Beteiligung an Innovationen betrifft. Wir haben hier im Vergleich die meisten Forschungsunternehmen und nicht nur eine ausgeprägten Intensität von Innovationen, sondern verbuchen auch die meisten Innovationserfolge.
Dennoch ziehen Asiaten und Amerikaner immer wieder an uns vorbei. Grund hierfür könnte, einer Untersuchung zur Folge sein, dass Innovationsprozesse hierzulande nicht schnell und effizient gehandhabt werden. Ängstliches Zögern und Abwägen ist häufiger an der Tagesordnung als „einfach mal ausprobieren“.

Ähnliche Historien haben auch das Fax, der Scanner und der erste funktionierende Computer Europas vorzuweisen. Allesamt sind sie deutsche Erfindungen, die letztlich von Japanern und Amerikanern zu Innovationen gemacht wurden. Jedes Mal verpassten Deutsche die Gelegenheit, obwohl sie die eigentliche Arbeit längst geleistet hatten.

Der Hybridmotor? 1973 an der TH Aachen entwickelt – und liegengelassen. Vor nicht langer Zeit hergestellt von Toyota.

MP3? Ende der 1990er eine technische Errungenschaft des Fraunhofer-Instituts Brandenburg. Das Potential erkannt und umgesetzt haben wiederum Asien sowie natürlich: the famous Steve Jobs.

Angesichts dieser Beispiele wird klar, dass es nicht nur reicht gute Ideen zu haben, man muss sich auch trauen sie umzusetzen. Etwas weniger deutsche Gründlichkeit und Bedenkenträgerei und etwas mehr Mut zur Lücke und Bereitschaft zum Risiko. Bitte, bleiben Sie innovativ!